Altstadtrebellen
davor genug Platz für vier Biertischgarnituren und noch einen kleinen Tisch hinten in der Ecke, an dem der Ranftl Sepp spielt.
Der Zieser Johann ist jemand, der zum Beispiel seinen Garten sehr liebt. Offensichtlich mehr als der Garten ihn, denn er schaut nicht gut aus, der Garten. Etwas heruntergekommen. Obwohl der Johann immer draußen ist. Was macht er dort? Vielleicht hat es mit seiner Frau zu tun, weil wenn man an seinem Haus vorbeigeht, man schon des Öfteren solche Sätze hört wie: »Hast deine Schuhe ausgezogen? Hast deine Händ gwaschen? Um halb, hab ich gesagt, gibt es Essen, jetzt ist es Viertel vor!« Na ja, und das über die Jahre, da bleibt einem Vielleicht nichts anderes als der Garten.
Seine Frau, die Angelika Zieser, war komplett dagegen, dass sie das Straßenfest ausrichten müssen. Wegen dem Dreck. Weil jeder, der aufs Klo wollte, ins Haus musste. Ihr Traummann war schon immer der Meister Proper. Groß, stark und sauber. Und das sind so Eigenschaften, von denen der Zieser Johann gar nix hat. Mit der Frisur vielleicht, da kommt er langsam hin.
»Mog jetzt jemand vielleicht no a Würschtl?«, tönt es von ihm, der hinter dem Grill fleißig am Wenden ist. Das gefällt ihm, da ist er aufgeräumt. Er hat viel zu viel aufgelegt, die meisten sind eh satt.
Schon am Anfang, als ich gekommen war, brutzelten auf dem Grill 16 Würschtel und acht Koteletts, obwohl außer dem Ranftl Sepp noch keiner dasaß. »Ach ja«, sagte der Johann, »woaßt ja, wia die Leute sind, wenn s’ kommen, wolln s’ essen!«
»Aber die sind ja schon fast schwarz, Johann, die musst du runtertun, sonst kannstas wegschmeißen!«
»Ich hab genug eingekauft!«
So ist er, der Johann. Hauptsache grillen.
Ein Flug nach Ayurveda
»Aaaaahh«, mischt sich da Dr. Manfred Portzner ein, »unser Johann, wie immer fleißig am Fleisch wenden!« Portzner, ein rüstiger Diplomingenieur, um die sechzig, laut, überzeugend und allwissend, baute früher Brücken, die, so munkelt man, immer eingekracht seien. Deshalb baut er jetzt Brunnen. Jeder Zweite bei uns in der Straße hat einen Brunnen von Dr. Manfred Portzner. Anfänglich hat er es mit alten Brückenteilen aus vorangegangenen Projekten versucht, quasi Unikate, Kunstwerke, von denen so manches Teil den einen oder anderen Vorgarten unserer Siedlung ziert. Er nannte sie Raumobjekte, die die Unfertigkeit unserer Seele symbolisieren. Verrostete Stahlteile, die den Eindruck einer ewigen Baustelle erwecken. Jetzt baut er ganz einfache Brunnen.
Und dieser Dr. Manfred Portzner ist auch der Grund, warum ich jetzt mitten in diesem Straßenfest sitze und nicht mehr in meinem »Café Klughardt«. Ich war gerade mitten in meinen Auszeitgedanken und rätselte über einen zu diesem Thema notierten Begriff, nämlich »Putzlappen«. Was könnte ich damit gemeint haben? Das ist nämlich ein kleines Manko in meiner Art zu denken. Oft habe ich die eine oder andere interessante Gedankenkette, schreibe aber nur ein Wort hin und denke mir: »Da weiß ich dann schon noch, was ich gemeint habe!«
Ich weiß natürlich überhaupt nichts mehr. Putzlappen, was war denn das gleich wieder, dachte ich, putzen, schrubben, wischen, Wischlappen, Vileda … Ayurveda, das war’s, genau, weil ein Freund mir den Tipp gab: »Wenn du am Boden kriechst und ausgebrannt bist, mach das mit dem Ayurveda, das haut dich wieder nach vorne.« Und da erinnerte ich mich auch wieder an meinen peinlichen Auftritt im Reisebüro, als ich sagte: »Ich hätte gerne einen Flug nach Ayurveda«, und der ruppige Reiseberater meinte: »Da brauchst du nicht wegzufliegen, das kannst du in München auch machen!«
Was ich dann auch ausprobiert habe, nicht, weil es mir gerade schlecht ging, aber, so dachte ich, für den Fall des Falles wüsste ich dann, was auf mich zukommen würde. Leider musste ich feststellen, dass Ayurveda nicht unbedingt für jeden gedacht ist. Vermutlich muss man vorher noch einen Vorbereitungskurs absolvieren, ich weiß es nicht.
Ich suchte also einen dieser Läden auf, am Nachmittag, ein junger Asiate empfing mich, sehr freundlich, etwas zu freundlich für einen wie mich, der zu viele Filme gesehen hat mit freundlichen Asiaten, die lächeln und im nächsten Moment von hinten eine Drahtschlinge um deinen Hals ziehen. Lieber ruppig wie der im Reisebüro, da weiß man, was man hat. Aber egal. Ich möge mich auf die Liege legen, sagte mir Bharat, wie er sich vorstellte, und
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