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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Giebel
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das Tranchieren der geschmorten Hasenkeule, dann würden sie sich auch dessen erdünsten, dass sie zuvor, meine Damen und Herren von der Opposition, zuvor die dalmatinischen Speckröllchen zu frittieren haben.
     
    Eine geräucherte Pökelzunge, wissen Sie, was das bedeutet? Das bedeutet Saltimbocca alla Romana mit gekochtem Schellfisch, das bedeutet Rehschlegel, Rhabarbergrütze und Hammelnieren, wenn wir Pech haben, kommen auch noch Schillerlocken dazu, und da können wir darauf warten, dass uns die Pfifferlinge ver rühren!«
     
    Ein kalter Schauer lief über meinen Rücken.
     
    »Nein, liebe Zuhörer, hier muss der Sardellenwillkür ein energisches Brutzeln zugebrüht werden, und wenn wir uns zusammensieden und alle gemeinsam an einem Topf kochen, wird der verdorbene Brei schon die Hammel passieren. Herzlichen Dampf!«
     
    Ja, das war es. Tobender Applaus donnerte durch den Saal nach dieser flammenden Rede, die uns vermutlich alle in welche Partei auch immer hätte eintreten lassen. Gestärkt und mutig, immer noch in Gedanken an Sardellenwillkür und dalmatinische Speckröllchen, konnte ich nun meine Heimreise antreten!
     
     
    Damals war ich noch verheiratet und ich erinnerte mich auf dem Weg zum Bahnhof an die Worte meiner Frau: »Bring mir doch aus Bonn etwas Schönes mit. Vielleicht ein nettes Parfüm?« Also bin ich in der Fußgängerzone Bonn in ein großes Kaufhaus rein und stand dann in dieser riesigen Kosmetikabteilung, mit meinem ganzen Gepäck.
     
    Ich habe ja immer so viel Gepäck, auch weil ich nie weiß, was ich brauchen könnte. Meist brauche ich fast gar nichts, aber eben dieses Fast könnte alles sein. Ich stand also mit meinen Taschen, Koffern, Tüten und Rucksack zwischen diesen einnebelnden Duftregalen und war überzeugt, so wie ich daherkomme, nicht als klassischer Parfümkunde eingeschätzt zu werden. Eher wie ein Verrückter oder ein gestörter Mörder, der nach 15 Jahren Haft seinen ersten Tag in Freiheit dazu nutzt, sich an allen zu rächen, allen einen Denkzettel zu verpassen, die Schuld sind an seinem verpatzten Leben, und das mit einer gewissen öffentlichen Aufmerksamkeit. Was wäre zu diesem Zweck besser geeignet, als die Parfüm- und Kosmetikabteilung eines großen Kaufhauses zu zertrümmern. Das denken doch jetzt alle, die mich sehen, dachte ich mir, und hinter mir stehen mit Sicherheit genau vier Kosmetikberaterinnen und losen mit Streichhölzern aus, wer von ihnen sich opfern muss, mich zu bedienen, um das Schlimmste zu verhindern. Und mitten in diesen Gedanken versunken ertönte es hinter mir mit leicht bönnschem Akzent: »Kann isch Ihnen wat helfen?«
     

Explosionen bis zur Schulter
     
    Ruckartig riss es mich herum, und vor mir stand eine ungefähr dreißigjährige, sehr große, aber bedenklich dürre Kosmetikfachverkäuferin. Ihr gelangweilter, routinierter Blick hatte so etwas, als wollte sie mir gleich sagen: »Für fünfzig jibts die Standardnummer, die Stunde für hundertfünfzig und ohne Gummi is nich!«
     
    »Tja, äh…«, stammelte ich, »… ich bräuchte ein Parfüm für meine Frau!«
     
    »Dachten Sie an irgendwas Bestimmtes?«
     
    »Eigentlich nicht, sie hat gesagt, bring mir doch einmal ein nettes Parfüm mit, eines, das zu mir passt!«
     
    »Nun, isch kenn ja Ihre Frau jetzt nisch wirklisch, Sie müssten mir schon e bisschen mehr erzählen. Ist sie denn mehr so ein blumiger, verspielter Typ?«
     
    Meine Verunsicherung steigerte sich: »Ja, äh, nein, eher weniger, also blumig überhaupt nicht, und verspielt …«, ich überlegte kurz, »… da kommt es halt drauf an, was man ihr für ein Spielzeug gibt!«
     
    »Also nichts Blumiges. Ist sie, sagen wir mal, ein eher burschikoser Typ?«
     
    »Ja, jetzt, äh, äußerlich überhaupt nicht!«
     
    »Mag sie es vielleicht mehr herrschaftlich, seriös, getragen?«
     
    Ich grübelte in mich hinein und grummelte, jetzt noch mehr verunsichert, vor mich hin: »Da weiß ich jetzt gar nicht, wie so etwas riecht, was Getragenes!«
     
    Beide standen wir für einen Moment ratlos da, die Verkäuferin blickte schon etwas ungeduldig nach hinten, gab mir damit zu verstehen, es gibt noch mehr zu tun, als einem wie mir ein Parfüm zu verkaufen. Ich wagte einen Vorstoß: »Wissen Sie, sie ist mehr so dreckig!«
     
    Ausdruckslose Verständnislosigkeit strahlte mir entgegen: »Bitte?«
     
    »Meine Frau mag es gern schmutzig …«, ergriff ich die Flucht nach vorne, »… sie ist mehr so ein Straßentyp. Gar nichts mit

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