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Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Titel: Alvion - Vorzeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Thiering
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durchaus.
    Vorsichtig setzte ich meine Füße auf den leicht schwankenden Boden und versuchte aufzustehen. Sobald ich mich aber vom Rand meines Lagers gelöst hatte, gaben meine Beine nach und es kam mir vor, als wäre ich mit immensem Lärm zu Boden gefallen. Langsam und noch vorsichtiger versuchte ich noch einmal auf die Beine zu kommen und nach einer fast unendlich erscheinenden Zeitspanne, gelang es mir auch und ich begann, mich Schritt für Schritt durch den dunklen Raum zu tasten. Da ich äußerst behutsam in die Richtung ging, in der ich die Türe vermutete, gelang es mir auch, die gegenüberliegende Wand zu erreichen, obwohl ich mehrmals gegen irgendwelche Hindernisse prallte. Nichts rührte sich in dem Raum, während ich an der Wand lehnte und außer gelegentlichem Schnarchen und dem ruhigen, regelmäßigen Atmen mehrerer Schlafender und dem leisen Rauschen des Meeres war nichts zu hören. Langsam und mit äußerster Sorgfalt tastete ich mich an der Wand entlang, bis ich nach kurzer Zeit den Türgriff unter meiner linken Hand spürte und ebenso langsam herunterdrückte, um nur Geräusch zu machen.
    Direkt vor der Tür lag ein dunkler Gang, der von fahlem Licht, das von draußen hereinfiel, wenigstens ein bisschen erhellt wurde. Rechts von mir wurde der letzte Rest des Lichts schnell von völliger Dunkelheit verschluckt, links dagegen wurde es heller und ich erblickte durch eine viereckige Öffnung Teile des Decks in Umrissen, die vom Mondlicht bestrahlt wurden. Nachdem ich wiederum vorsichtig die Tür hinter mir geschlossen hatte, schlich ich, ganz nah an der Wand entlang, auf das Deck zu. In der Öffnung blieb ich kurz stehen und spähte vorsichtig in das trübe Zwielicht hinaus. Nichts deutete darauf hin, dass sich jemand an Deck befand. Ich wagte es und lugte ein Stück durch die Öffnung heraus. Im Gang hinter mir glaubte ich ein Geräusch zu hören, und dies veranlasste mich dazu, sofort aus der Öffnung herauszutreten und mich nach links, an der Wand des Schiffsaufbaus entlang, zu tasten. Nichts deutete darauf hin, dass etwas bemerkt worden war und ich war entschlossen, dies irgendwie zu nutzen. Einzelne Tropfen der Gischt trafen mein Gesicht, als ich die Reling erreichte und auf die dunkle, von weißen Schaumkronen durchsetzte Oberfläche des Meeres blickte. Im nächsten Moment legte sich eine kräftige Hand hart auf meine Schulter und eine bekannte Stimme sagte mit boshaftem Unterton:
    „ Wen haben wir denn da? Wolltest wohl heimlich verschwinden, Kleiner?“
    Dann erhielt ich einen heftigen Schlag gegen den Kopf, durch den ich das Bewusstsein verlor und als ich später wieder zu mir kam, litt ich nicht nur unter entsetzlichen Kopfschmerzen, sondern war auch noch sitzend an einen Balken irgendwo unter Deck gefesselt worden. Die Stricke waren so fest gezogen, dass sie mir schmerzhaft in die Handgelenke schnitten. Nach kurzer Zeit gab ich es auf, daran zu zerren, weil es dadurch nur schlimmer wurde. Mutlos saß ich an das Holz gelehnt und wusste nicht, was ich tun sollte. Dazu kam mir ein erstes Mal zu Bewusstsein, dass ich ganz alleine war und meine Eltern und meine Schwester niemals wieder sehen würde. Ich versuchte gegen die Tränen anzukämpfen, aber in jenem Moment gab es kein Halten mehr. Das Schluchzen konnte ich wenigstens unterdrücken, und so weinte ich still und leise vor mich hin.
     
    Die Tage, die folgten, zählten zu den schlimmsten meines Lebens, denn die Tatsache, dass ich meine Familie wirklich verloren hatte, kam mir immer stärker zu Bewusstsein, während ich unter Peitschenhieben und fürchterlichen Prügeln die niedrigsten Arbeiten auf dem Schiff verrichten musste, die sich finden ließen. Dennoch ertrug ich mit einem Gleichmut, den ich bis heute vergeblich versuche wieder zu finden, die üble Behandlung und die Beschimpfungen dieser widerlichen Kerle. Kein Wort sprach ich mit ihnen, und wenn sie mich anredeten, stellte ich mich dumm, so als würde ich ihr vulgäres Corva nicht verstehen. Tatsächlich konnte ich ihren Worten auch nicht immer folgen, da ich nur die wesentlichen Grundlagen der Sprache in der Schule gelernt hatte, aber es reichte aus, um meistens den Sinn der Worte zu begreifen. Heute kann ich nicht mehr sagen, wie viele Tage ich auf dem Schiff gepeinigt wurde, ehe es in den Hafen von Dalia auf Alatyra einlief, doch eines Abends, als ich am Rande der absoluten Erschöpfung war, wurde ich auf einmal von zweien dieser Gestalten unter Deck gestoßen und wieder an den

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