Alvion - Vorzeichen (German Edition)
der erwarteten Stelle in Ostsolien eindringen würde oder schon früher eintraf.
Hunderte Menschen säumten die Straßen und die meisten blickten uns mit einer Mischung aus Sorge und Mitleid an. Nur wenige jubelten uns zu und wünschten uns Glück und Erfolg in der Schlacht, was nicht gerade dazu beitrug, die Stimmung der Soldaten zu heben. Ich fühlte mich an einen Trauermarsch zu einer Beerdigung erinnert, und als wir schließlich das Stadttor passierten, hatte ich nicht den Eindruck, hinaus ins Land zu reiten, sondern das Tor zu einer düsteren Zukunft zu durchschreiten. Ein ungewöhnliches Gefühl des Wehmuts beschlich mich, als ich mich kurz umblickte und auf die Häuser der Stadt blickte und ich fragte mich, wann oder ob ich diese Stadt wohl je wieder betreten würde.
Drei Tage ritten wir fast ohne längere Ruhepause nach Norden. Alle paar Stunden machten wir zwar für einige Zeit Rast, vor allem damit sich die Pferde erholen konnten, denn auch wenn sie nicht voll galoppieren mussten, so bewegten wir uns doch mit beachtlicher Geschwindigkeit, und nur die wenigen, wirklich dunklen Stunden der Nacht nutzten wir zum Schlafen. Die Dörfer, die wir auf unserem Weg durchquerten, waren zum Teil schon verlassen. Mehrere Kolonnen von Flüchtlingen, die mit Karren ihre Habe in Sicherheit brachten, trafen wir alle auf dem Weg nach Süden um von dort aus über die großen, befestigen Straßen oder per Schiff nach Westen oder Norden zu gelangen, wo sie sich vermeintlich in Sicherheit wähnten. Doch wenn es uns nicht gelang, die Meridianer aufzuhalten, würden auch der Westen und der Norden Soliens über kurz oder lang mit Krieg überzogen werden.
Immerhin schafften wir es noch rechtzeitig: Als wir um die Mittagszeit des vierten Tages die Senke erreichten, war jenseits davon noch nichts von einem feindlichen Heer zu sehen. Allerdings bestätigte sich endgültig, dass es Krieg geben würde, denn die ersten Soldaten der vorausgeschickten Abteilungen, die wir trafen, berichteten, dass die ersten meridianischen Soldaten bereits auf solischem Boden standen. Sofort, nachdem wir die Senke erreicht hatten, wo es nach unseren Einschätzungen zum Zusammenstoß kommen würde, schickte Venron weitere Spähtrupps ins Land jenseits der Berge, um über die Landung und den Vormarsch der meridianischen Truppen auf dem Laufenden zu sein. Dann ließ er alle Offiziere zu sich rufen und hielt eine kurze Ansprache:
„ Lasst eure Männer gar nicht erst die Zelte aufstellen, Selen!“, wandte er sich an den Offizier einer nur leichtbewaffneten Abteilung, die hauptsächlich für Spähaufträge zuständig war. „Eure Abteilung übernimmt die Bewachung der Hügelkette, und zwar bis weit nach Süden und Norden, wo die Berge kaum noch zu überwinden sind! Richtet eine Signalkette ein, wenn sich abseits der Senke etwas tut, will ich das so schnell wie möglich wissen!“
Selen nahm diesen Befehl nickend zur Kenntnis und ritt davon, um seine Männer loszuschicken. Bisher wurden die Gebiete im Süden von bereits losgeschickten Spähern nur sehr lückenhaft überwacht. Es war eine Eigenart dieser Bergkette, dass sie sich auf einer Länge von knapp hundert Meilen nicht sehr hoch erstreckten, sich dann in Meeresnähe wieder erhöhten und wesentlich massiver und steiler wurden. Man konnte durchaus sagen, dass eine hundert Meilen lange Hügelkette ein kleines Gebirge mit einem gigantischen Gebirgsmassiv, den Solischen Bergen, verband.
„ Damas, Ihr überwacht den Aufbau des Lagers!“, fuhr Venron fort. „Sucht Euch eine Abteilung heraus, die die Senke befestigen wird. Der Rest der Männer soll sich bis morgen ausruhen. Bei Anbruch der Dämmerung wird eine Lagebesprechung in meinem Zelt stattfinden, bis dahin solltet auch ihr ruhen und Kräfte sammeln, denn es würde mich nicht wundern, wenn sie bereits morgen kämen! Das ist alles!“
Also kehrte ich zu meinen wartenden Männern zurück und wies sie an, dort zu lagern, wo Damas es ihnen zuteilen würde, ich dagegen gedachte unter freiem Himmel zu schlafen, übergab daher meinen Rucksack einem Soldaten und ritt auf meinem Pferd hinauf zur Senke. Diese Senke war das Tor nach Solien für die feindlichen Armeen. Selbst die Hügel, die sich wie eine Mauer durch das Land zogen, waren zwar nicht besonders hoch, aber ihre Flanken waren steil und äußerst mühsam zu ersteigen. Sie im Sturm zu nehmen war unmöglich und mit einer großen Streitmacht die Passage anderenorts zu versuchen, war schlichtweg
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