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Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Titel: Alvion - Vorzeichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Thiering
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in ausreichendem Maß vorhanden war, hatte es ein ganz gehöriges Chaos gegeben und es gab keinen Offizier, der nicht hämisch gelächelt hätte, wenn er Damas, dem die Handhabung dieser Situation übertragen worden war, irgendwo Brüllen hörte oder mit hochrotem Kopf hin und her laufen sah. Den Schneidern und Schmieden Bilonias bescherte der nahende Krieg jedenfalls noch einmal ein gutes Geschäft. Vorläufig wurden die neuen Rekruten in großen Zelten entlang der Kasernenmauern untergebracht und in mehrere Ausbildungsabteilungen gegliedert, nachdem man die Kinder unter ihnen aussortiert und nach Hause geschickt hatte. Aus den einzelnen Abteilungen hatte Venron dann die älteren, erfahrenen Soldaten, die nicht mehr ins Feld ziehen konnten, heraussuchen lassen. Sie waren dazu bestimmt, die Rekruten so schnell und gewissenhaft wie möglich zu Soldaten zu machen.
    Jeden Tag, während ich die Arbeiten beaufsichtigte und meine Soldaten kennenlernte, konnte ich das Gebrüll der Ausbilder hören, die mit den Neulingen nicht gerade zimperlich umgingen. Jedes Mal wenn eine Abteilung von ihnen schwitzend und mit verbissenen, hasserfüllten Gesichtern vorbeilief, empfand ich Mitleid mit ihnen, denn keiner von ihnen hatte gewusst, welche Schindereien die Ausbildung zum Soldaten mit sich brachte und noch viel schlimmer war, dass sie sich spätestens während ihres ersten ernsthaften Gefechts wieder hierher zurückwünschen würden. Gerade wenn es um die Armee und den Krieg ging, werden Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit meist himmelweit.
     
    Schließlich waren die Vorbereitungen so gut wie abgeschlossen und Venron gab den Befehl zum Aufbruch für den nächsten Morgen. In einer kurzen Ansprache vor den Offizieren setzte er uns davon in Kenntnis, dass zumindest bisher noch keine Meldungen über eine sich nähernde meridianische Flotte eingegangen waren. Die Zeit würde noch ausreichen, um nach Norden zu gelangen und dem Feind den Weg nach Solien hinein zu versperren. Dennoch war in seinem Gesicht deutlich die Ungeduld zu erkennen, gepaart mit der Befürchtung, zu spät zu kommen.
    Unser Ziel würden die Ausläufer der solischen Berge sein, um dort unter Ausnutzung des Geländevorteils jeden Übergang zu verhindern. Für die Verteidigung der Gebiete nördlich der Berge an der Küste standen wesentlich weniger Soldaten zur Verfügung als nötig gewesen wären, sodass wir uns darauf beschränken mussten, Zeit zu gewinnen, bis Verstärkungen kam.
    Mit einem seltsamen Gefühl gab ich den Befehl an meine Abteilung weiter und verbrachte die nächsten Stunden des Tages mit einem abschließenden, peinlich genauen Appell. Dann gab ich den Soldaten bis zum nächsten Morgen frei, allerdings mit der Drohung, dass jeder, der am nächsten Tag nicht zur rechten Zeit abmarschfertig und -fähig war, eine drastische Strafe erhalten würde. Danach zog ich mich zurück, prüfte nochmals meine persönliche Ausrüstung und lief den ganzen Abend über ziellos durch die Straßen Bilonias, die noch einen trügerischen Anschein völliger Normalität erweckten. Es musste nach Mitternacht gewesen sein, als ich in die Kaserne zurückkehrte und mich zum Schlafen legte.
     
    Die wenigen Stunden, die mir noch geblieben waren, schienen mir, als ich im Morgengrauen vom Horn der Nachtwache geweckt wurde, viel zu kurz gewesen zu sein. Langsam setzte ich mich auf die Bettkante, stützte einige Augenblicke meinen Kopf mit beiden Händen und dachte über den merkwürdigen, fast beängstigenden Traum nach, den ich gehabt hatte: Ich hatte meine Eltern gesehen. Sie hatten kein Wort zu mir gesprochen, sondern mich mit einem Ausdruck tiefster Trauer angeblickt. Eine Erklärung dafür konnte ich nicht finden, denn ich hatte zwar schon oft von ihnen geträumt, doch in diesen Träumen durchlebte ich Geschehnisse meiner Kindheit. Mein Gefühl sagte mir, dass dieser Traum damit nichts zu tun hatte, er schien mit meinem jetzigen Leben zu tun zu haben. Mir blieb nur die Hoffnung, dass keine düstere Prophezeiung darin lag.
    Ich stand auf und schüttelte meine Glieder, auch um die Gedanken an diesen Traum abzuschütteln, denn es blieb mir keine Zeit, im Grübeln zu versinken.
    Einige Minuten später hatte ich mich mit eiskaltem Wasser gewaschen und trat mit meiner gesamten Ausrüstung aus dem Gebäude, das die Offiziere beherbergte. Auf dem Kasernenhof war bereits geschäftiges Treiben im Gange, obwohl es noch ziemlich dunkel war: Gruppen von Soldaten gingen auf das

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