Alvion - Vorzeichen (German Edition)
denkst du, wie lange wir brauchen werden?“, fragte ich, auch um ihn von seinem Kummer abzulenken.
„ Perlia ist weit, Alvion, achthundert Meilen mindestens! Wir haben Verwundete bei uns und ansonsten mutlose, geschlagene Kämpfer. Wir bewegen uns in unwegsamem Gelände und das bestimmt noch tagelang. Ich rechne damit, dass wir allerfrühestens in einem Monat in Perlia eintreffen. Eine Ewigkeit!“
„ Hauptsache wir kommen überhaupt dorthin!“, versuchte ich ihm, und auch mir selbst, Mut zu machen.
Abax erwiderte nichts mehr darauf und auch ich wusste nichts mehr zu sagen. Schweigend ritt ich neben ihm her, bückte mich immer wieder unter tief hängenden Zweigen hindurch und grübelte über die vergangenen Ereignisse nach. So vergingen die Stunden, während wir langsam durch den Wald ritten, mit schmerzenden Gliedern, traurig und niedergeschlagen, in Richtung Perlia.
Was weder Alvion noch irgendeiner der anderen wissen konnte, die nun langsam in Richtung Perlia ritten, war, dass ihr verzweifelter Kampf ohnehin sinnlos gewesen war. Molaars Armeen waren kein Risiko eingegangen und hatten ein riesiges Aufgebot in Ostsolien landen lassen. Nur ein Teil dieser Streitmacht war dann tatsächlich den solischen Soldaten entgegen gezogen und hatte eigentlich nur den Auftrag gehabt, die solischen Truppen an Ort und Stelle zu binden. Weiter im Süden, wo die letzten Berge direkt an der Küste endeten, hatten vier Magier den Hauptteil der Streitmacht durch einen mehrere Meilen langen Tunnel nach Solien hineingebracht. Selbst wenn Salina der Übermacht von vier Magiern und vier ihrer Schüler weiter standgehalten hätte, wären innerhalb von Stunden tausende Reiter im Rücken der solischen Soldaten aufgetaucht. Und wie Alvion vorausgesagt hatte, ritten nur Stunden nach der Schlacht große berittene Abteilungen des Feindes in das frei vor ihnen liegende Land hinaus und nahmen es in Besitz. Ein großer Teil der Streitmacht strebte in Richtung Bilonia, ebenso wie die riesige Seestreitmacht nun die Küsten hinabsegelte.
K apitel 10
Am Abend jenes Tages, der die erste große Schlacht des Krieges und die Niederlage der solischen Truppen gesehen hatte, kehrte Zelio von Dhomay nach einer Weile absoluter Ruhe und Einsamkeit innerhalb des Seelenwaldes zum Archiv des Ordens zurück, ohne zu ahnen, was in der Zwischenzeit geschehen war. Während Zelio einen schmalen Pfad entlang ging, schwebte vor ihm eine kleine Leuchtkugel, die seinen Weg erhellte. Rings um ihn herum war fast undurchdringliche Finsternis und das Flackern der Kugel erzeugte unheimliche, fast bedrohliche Schatten auf den Bäumen um ihn herum. Hin und wieder ertönte das Knacken eines Zweiges, wenn Zelio wieder ein scheues Tier aufgeschreckt hatte und einige Augenblicke später hörte er das schauerliche, wie Wehklagen klingende Geheul von Wölfen, fast so, als würden diese bereits den Untergang Septrions beklagen. Dennoch empfand er keine Angst, denn selbst wenn ihn einer der Waldbewohner angegriffen hätte, wäre er, dank seiner Kräfte, nicht in Gefahr geraten. Auf einmal verblasste der Leuchtschein der Kugel vor ihm zu einem milchigen Schimmern und nur Augenblicke später war Zelio von dichtem Nebel eingehüllt, der von einer Lichtung aus nun immer tiefer in den Wald hineinkroch. Er merkte sofort, dass er sein Ziel erreicht hatte, denn er trat nicht mehr auf Moos oder Erde, sondern spürte kniehohes, feuchtes Gras gegen seine Beine schlagen. Die Mächte des Waldes hatten ihm den Weg freigemacht und er spürte genau, dass er am richtigen Ort war. Langsam ging er weiter auf die Lichtung hinaus, genau auf jene Stelle zu, wo der Eingang zum Archiv des Ordens war. In der Mitte der Lichtung blieb er stehen und hob mit einem Murmeln und einer flüchtigen Handbewegung den Schutzzauber des Archivs kurz auf. Wie von Geisterhand bewegt, öffnete sich direkt vor ihm der Boden, dann murmelte er einen weiteren Zauber und sah im nächsten Augenblick das Entflammen der Fackeln an den Wänden, deren Licht auf die Steintreppe fiel, die nach unten in die Erde führte. Vorsichtig, um mit den vom Gras nassen Sohlen seiner Stiefel nicht auszurutschen, tastete sich Zelio Stufe um Stufe abwärts und blickte sich nicht mehr um, als sich hinter ihm die Öffnung schloss. Nichts würde draußen noch auf die Öffnung hindeuten, das Archiv lag wieder durch den Zauber geschützt unter der Erde. Nur ein äußerst aufmerksamer und gewandter Magier würde diesen Ort finden, wenn er von
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