Alvion - Vorzeichen (German Edition)
sich darum, sodass niemand außer den Magiern es wagte, ihn zu betreten. Eine gewaltige, nicht fassbare Kraft durchdrang seit Urzeiten jene Wälder und war in der Lage, einen unliebsamen Eindringling wochenlang in die Irre zu führen, ohne dass er in Wahrheit auch nur einen Schritt vorwärtskam. Mit dem Orden vom Seelenwald verband diese Macht ein stilles Abkommen, das den Magiern den Zutritt gewährte, und Entfernungen innerhalb des Waldes für sie bedeutungslos machte, ohne dass sie dafür auf ihre Kräfte zurückgreifen mussten. Innerhalb einer Stunde konnte ein Magier vom nördlichen Ende des Waldes zum Südlichen gelangen, obwohl dies eine Strecke von gut achthundert Meilen war.
Keiner hatte gefehlt, alle schwebten im Schneidersitz in der Luft und hinter einigen standen, in braune Kutten gekleidet, ihre Schüler. Als hätte er sie gestern erst ausgesprochen, entsann sich Zelio seiner damaligen Worte.
„ Seid gegrüßt, Brüder und Schwestern des Ordens vom Seelenwald! Ihr alle wisst, dass gemäß unseren Gesetzen die nächste große Zusammenkunft unseres Ordens erst in vier Jahren stattfinden sollte, doch ich nehme an, jeder von euch weiß, warum ich euch gerufen habe. Ihr alle habt, genau wie ich, die große Erschütterung der allumfassenden magischen Sphäre und des natürlichen Gleichgewichts der Kräfte gespürt! Ebenso ist euch nicht entgangen, welch gewaltige Macht der Zerstörung binnen eines Augenblicks entfesselt wurde, denn sicherlich habt ihr darunter ebenso gelitten, wie ich!“
„ Ehrwürdiger Zelio“, hatte ihn Tualis von Vemanio, einer der ganz wenigen bekannten Magier aus dem Volk der Argion, unterbrochen. „Ich glaube für alle zu sprechen, wenn ich dies bestätige und ich glaube weiterhin, dass es allen ebenso unmöglich war wie mir, festzustellen, wo der Ursprung dieser Erschütterung gewesen ist, die große Furcht und schlimme Vorahnungen in mir hervorrief! Es ist, als umgäbe ein dichter Nebel die Geschehnisse, den ich bisher nicht durchdringen konnte.“
Fast alle Anwesenden hatten zustimmend genickt, als Tualis zu Ende gesprochen hatte.
„ Eine gute Umschreibung. Ohne eure Fähigkeiten anzweifeln zu wollen, Brüder und Schwestern, es hätte mich gewundert, wenn einer von euch die Verschleierung durchdrungen hätte, die über jenem Ereignis gewoben wurde. Mich selbst kostete es lange Stunden und sehr viel Kraft, einen kurzen Blick darauf zu werfen, doch selbst dann waren nur Bruchstücke des Ganzen zu erkennen, aber schon diese erfüllten mich mit großem Entsetzen. Doch seht selbst!“
Alle Anwesenden hatten im nächsten Moment schockiert den Atem angehalten, denn alle sahen sich plötzlich an einen anderen Ort versetzt. Es war, als blickten sie durch die Augen eines Adlers aus großer Höhe hinab auf eine liebliche Insel inmitten der Weiten des Ozeans. Die wenigsten waren je dort gewesen, doch alle erkannten Alyra auf Anhieb. Der Anblick erschien ruhig und friedlich, das Meer war spiegelglatt und am Himmel sah man nicht eine einzige Wolke. Eine gewaltige Gebirgskette mit schneebedeckten Gipfeln und dicht bewachsenen, grünen Hängen zog sich wie ein festes Band von Ost nach West. Das von sanften Hügeln durchzogene Gebirgsvorland war zum Teil von fruchtbaren Feldern und zum Teil von dichten, grünen Wäldern durchzogen. Im nächsten Moment hatte sich das Bild verändert und großflächige Brände wüteten mit vernichtender Kraft dort, wo eben noch alles still und friedlich gewesen war. Gewaltige Rauchwolken, dunkel von Asche und leuchtend von alles verzehrendem Feuer stiegen von den Gipfeln der Berge höher in den Himmel, als es das Auge zu sehen vermochte. Breite Lavaströme flossen mit furchtbarer Gewalt die Hänge hinab, und gierig fressende Wolken reinen Feuers erreichten die Ebenen. Immer wieder schien das Bild zu zittern und zeugte von Erdstößen, die die Insel erschütterten, und so heftig gewesen waren, dass man sie selbst im fernen Solien noch gespürt hatte. Ein weiteres Mal änderte sich das Bild, denn mit einem Mal lag nicht mehr die Insel unter dem Betrachter, sondern eine gewaltige Flotte unter dem Banner Tar Naraans schien langsam überflogen zu werden. Der Blick richtete sich dann von den Schiffen weg auf eine Wand aus Rauch und Dampf, die in weiter Ferne nahezu das gesamte Blickfeld ausfüllte. Einige winzige weiße Punkte waren noch zu erkennen, Segel von kleinen Schiffen, die versuchten, dem Verderben zu entkommen. Das letzte Bild, das erschien, zeigte, dass
Weitere Kostenlose Bücher