Alvion - Vorzeichen (German Edition)
Wälder begleiten und so schwer wie möglich machen, ehe es auf den Ebenen Argions zur offenen Feldschlacht kam. Die unzähligen Angriffe aus dem Hinterhalt, ohne sich zum Kampf zu stellen, waren seit jeher dazu gedacht, dem Feind schmerzhafte Nadelstiche zuzufügen und ihn zu entmutigen. Erst wenn sich eine feindliche Armee unter immensen Anstrengungen und begleitet von unzähligen Angriffen, ihren Weg in das Herz Argions freigekämpft hatte, würden sich die Argion zur Schlacht stellen. Allerdings gab es in Argion schon lange keine gegliederte Heeresstruktur und vor allem kein stehendes Heer mehr wie in Solien, sondern nur eine einfache Einteilung in Reiterei, Fußtruppen und Schützen, die sich ansonsten als Bauern, Jäger, Handwerker oder dergleichen betätigten und nur in Kriegszeiten zu den Waffen greifen sollten. Es war aber schon eine ganze Weile her, seit dies das letzte Mal geschehen war, denn die Argion kannten die ausgedehnten Wälder, die ihr Kernland umrahmten, wie niemand sonst und konnten stets auf diesen unschätzbaren Vorteil bauen. Hier, in ihrem eigenen Land, konnten sie lange Zeit einem Gegner diese Art des Krieges aufzwingen, ehe sie sich entnervten und geschwächten Truppen offen zur Schlacht stellen mussten. Aber aus irgendeinem unbestimmten Gefühl heraus bezweifelte Tian, dass es auch diesmal wieder genau so ablaufen würde. Er begann sich selbst zu fragen, wieso es ihm überhaupt nicht gelang, auch nur einen Hauch von Zuversicht zu empfinden, doch eine Antwort darauf fand er nicht. Es schien fast so zu sein, als würde die neue Form der Bedrohung, die über dem Land lag, unsichtbar, aber mit gewaltiger Wucht jeden Einzelnen erfassen und zu Boden drücken. Tian erkannte die Gefährlichkeit dieser Situation, denn sie mussten mutig, hoffnungsvoll und mit starkem Herzen um Argion kämpfen, nicht mit dem Mute der Verzweiflung.
Mittlerweile hatte Cordian einige Gespräche mit hinzugekommenen Argion geführt und schließlich einen von ihnen zu Tian gebracht.
„ Tian Lux, dies hier ist Munis Teras!“, stellte er den jungen Mann vor. Diesem war offensichtlich nicht so zumute wie den restlichen Argion. Seine Augen leuchteten, als er Tians Hand schüttelte und sein Gesichtsausdruck spiegelte Entschlossenheit und Zuversicht wieder. Er war etwas jünger als Tian und hatte wohl bisher Argion noch niemals verlassen, geschweige denn an einem Kampf auf Leben und Tod teilgenommen. Er war ein Junge, der keine Ahnung von der Realität des Krieges hatte, wie Tian sofort bedrückt feststellte.
„ Munis ist der Anführer der Krieger aus einem Dorf am Fuß der östlichen Gatorberge“, sprach Cordian inzwischen weiter, „er und seine fünfzig Begleiter sind allesamt noch keine Fünfundzwanzig. Sie sind wagemutig, verstehen sich ganz passabel auf den Schwertkampf und das Bogenschießen, doch fehlt ihrer Gruppe ein Kämpfer mit Erfahrung. Ich dachte mir, dass Ihr Euch vielleicht seiner Gruppe anschließen würdet, um diese Lücke zu füllen.“
Cordian hatte sich vorsichtig ausgedrückt, doch Tian verstand sofort den tieferen Sinn hinter seinen Worten. Eigentlich hatte er sagen wollen:
„ Tian, diese Jungen brennen vor Leidenschaft, haben aber keine Ahnung, wie es in richtigen Kämpfen zugeht. Jeder von ihnen hat ein Schwert und jeder ist zumindest in der Lage, es richtig herum in die Hand zu nehmen. Dazu scheinen sie alle ganz passable Jäger zu sein, mehr aber auch nicht. Kannst du in ein paar Tagen das Wunder vollbringen, aus ihnen Soldaten zu machen?“
Tian und Munis musterten sich gegenseitig einige Momente lang und letzterer schienen mit seinem Gegenüber zufrieden zu sein, während Tian sein Möglichstes tat, sein Entsetzen zu verbergen. Schließlich brach Munis das Schweigen:
„ Tian Lux, es wäre mir eine Ehre, Seite an Seite mit Euch unsere Heimat zu verteidigen!“
„ Mir geht es ebenso!“, erwiderte Tian mit einem breiten Lächeln im Gesicht, obwohl ihm zum Weinen zumute war.
Mittlerweile war ein Mann von mittlerer Größe und Statur in einer schwarzen Kutte, auf der Brust das Wappen des Ordens vom Seelenwald und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, hinzugekommen und hatte mit Cordian eine leise Unterhaltung begonnen. Tian versuchte einen Blick auf das Gesicht des Magiers zu erhaschen, doch er sah nur wenige Umrisse seines Profils, der Rest seines Gesichts blieb hinter dem Stoff seiner Kutte verborgen. Obwohl er sein Antlitz vor ihnen verbarg, konnte Tian genau die Aura von Macht
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