Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alzheimer und Demenzen

Alzheimer und Demenzen

Titel: Alzheimer und Demenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prof. Dr. Sabine Engel
Vom Netzwerk:
wie ungern ich Süßes esse!« Doch statt zu lächeln, reagiert der Kranke überhaupt nicht, und mir wird deutlich, dass mein Scherz nicht »angekommen« ist. Nun bin ich vielleicht enttäuscht, weil meine Bemühungen so fehlgeschlagen sind und verstehe möglicherweise gar nicht, warum der Kranke so humorlos ist. Um seine Reaktion nachvollziehen zu können, ist es hilfreich, sich einmal vor Augen zu führen, wie kompliziert es ist, eine ironische Bemerkung zu verstehen:
    Um meine Aussage als Scherz zu verstehen, muss mein Zuhörer einige Dinge von mir ganz sicher wissen: Er muss sich nämlich ganz sicher sein, dass ich
wirklich für Süßes schwärme,
mir selbst meiner Schwäche für Süßigkeiten bewusst bin und
mit dieser Schwäche sehr offen umgehe und sie meinen Freunden, Bekannten und Verwandten bereits »gestanden« habe.
    Erst wenn sich mein Zuhörer all dieser Wissensaspekte sicher ist, kann er erkennen, dass ich absichtlich etwas gesagt habe, das nicht den Tatsachen entspricht. Nun muss er sich aber des Weiteren darüber klar werden, warum ich das wohl getan habe. Er muss also über uns und unser Verhältnis nachdenken. Er wird sich fragen müssen: Will sie mich belügen? Hält sie mich für dumm? Und erst wenn er zu dem Schluss kommt, dass ich ihn sicher nicht belügen oder hinters Licht führen will, kann er schließlich folgern: Sie will wohl einen Scherz machen!
    Die detaillierte Aufzählung der einzelnen Denk- und Urteilsschritte, die ein gesunder Mensch in der Regel blitzschnell und unbewusst vollzieht, soll bereits deutlich machen, dass diese Vielzahl von Schlussfolgerungen einem Demenzkranken Schwierigkeiten bereiten können. Außerdem ist sich manch ein Kranker gar nicht mehr sicher, ob es wirklich stimmt, was er zu wissen glaubt – zumal er in letzter Zeit vielleicht häufiger die beunruhigende Erfahrung gemacht hat, dass andere Menschen ihn auf seine Irrtümer, Fehleinschätzungen und Beeinträchtigungen hinweisen. Wenn der Kranke sich aber seines Wissens nicht mehr sicher ist, kann er eine ironische Bemerkung als solche gar nicht mehr verstehen. Eher glaubt er dann, dass er wieder einmal falsch liege und überlegt vielleicht: »Das gibt es doch nicht! Ich dachte immer, sie isst sehr gerne Kuchen und Torte und jetzt behauptet sie, dass das gar nicht stimmt.« Statt zu lachen, rätselt der Kranke eher über diese Ungereimtheit.
    Es ist auch möglich, dass der Kranke schlicht vergessen hat, dass ich gerne Süßigkeiten esse. Dann versteht er meinen Scherz freilich auch nicht. Vielmehr interpretiert er meine Aussage als einen ganz normalen »Tatsachenbericht«, über den er – natürlich – nicht lacht.
Regeln, die die Verständigung erleichtern
    In diesem Kapitel sind viele Kommunikationsprobleme zur Sprache gekommen, die zwischen dem Kranken und mir als Angehöriger entstehen können. Einige dieser Probleme können zumindest gelindert werden, wenn Angehörige einige Regeln der einfühlsamenKommunikation beachten. Viele dieser Regeln erscheinen mir wahrscheinlich ganz plausibel, wenn ich von ihnen in diesem Buch lese. Doch ist es in der Alltagskommunikation anfangs gar nicht so einfach, sie zu beherzigen.
Den Austausch anregen
    Da ein Demenzkranker aufgrund seiner Antriebsstörungen oder der Angst vor Fehlern häufig von sich aus kein Gespräch beginnt, ist es gut, wenn ich ihn zur Kommunika tion anrege. Dabei ist mein Wissen um seine Persönlichkeit und seine Lieblingsthemen eine wichtige Basis für ein Gespräch oder einen Austausch. Auch durch Spiele, die dem Kranken Spaß machen (!), können aktivierende kommunikative Situationen entstehen. Dagegen sollte ich davon absehen, den Kranken »abzufragen« oder zu prüfen, was er noch weiß und was er bereits vergessen hat. Viele Kranke empfinden eine solche schulmeisterliche Behandlung zu recht als demütigend, weil sie ihnen die eigenen Defizite und Beeinträchtigungen vor Augen führt.
Die Stärken hervorheben und Fehler übergehen
    Auch wenn es mir bestimmt nicht immer leicht fällt, wird es uns beiden guttun, wenn ich lerne, den Kranken in positiver Weise zu unterstützen, seine Stärken hervorzuheben und seine verbliebenen Kompetenzen zu betonen, und mir abgewöhne, ihn auf Fehler oder Defizite hinzuweisen. Denn das Gefühl, kontrolliert und verbessert zu werden, verunsichert den Kranken oft und kann zu Aggression und einer Verstärkung seiner Fehlleistungen führen. Ich verhalte mich daher wesentlich fördernder und einfühlsamer, wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher