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Alzheimer und Demenzen

Alzheimer und Demenzen

Titel: Alzheimer und Demenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prof. Dr. Sabine Engel
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Selbstwertgefühl gestärkt fühlen, sein Misstrauen mir gegenüber verliert vielleicht an Substanz.
    wichtig
    Wenn diese Veränderungen die Atmosphäre und die gesamte Situation entspannen und erleichtern, wird dem Kranken ebenfalls ein verändertes Verhalten erleichtert. So kann die Tatsache, dass ich lerne, die Krankheit und ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben zu akzeptieren, dazu führen, dass sich der Kranke mit seiner Krankheit angenommen fühlt, wodurch es ihm selbst leichter fallen kann, die eigenen »Schwächen« zu akzeptieren.
    »Deine Mutter ist viel freundlicher zu mir!«
    In einer Angehörigenschulung berichtet die Ehefrau eines Demenzkranken in der zweiten Sitzung, dass sie am Vortag zufällig gehört habe, als ihr Mann mit der gemeinsamen Tochter telefonierte. Auf deren Frage, wie es ihm denn heute gehe, habe er seiner Tochter geantwortet: »Gut geht es mir – weißt Du, das liegt daran, dass deine Mutter irgendwie viel freundlicher zu mir ist!« Das habe sie, die Angehörige, zunächst stutzig gemacht. Aber als sie ein wenig über ihr eigenes Verhalten nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass sie in den vergangenen Tagen tatsächlich – ganz unbewusst – verständnisvollerund »freundlicher« auf ihren Mann reagiert habe, nachdem sie in der ersten Sitzung der Angehörigenschulung vor einer Woche gelernt hatte, dass die Verhaltensweisen ihres Mannes krankheitsbedingt und nicht Zeichen seiner bösen Absicht oder seiner Interesselosigkeit an ihr seien.
    Und um zu lernen, mich selbst in meiner neuen, veränderten Situation zu akzeptieren, muss ich mich und meine emotionalen Reaktionen erkennen können. Am schwersten ist es für mich als Angehörige sicherlich zu verstehen, warum ich – trotz bester Vorsätze und Wissen um die Erkrankung – dennoch oft noch ungeduldig und ärgerlich reagiere, Wut empfinde und ein schlechtes Gewissen habe bzw. Schuldgefühle mich plagen. Hilfreich bei dieser Selbstklärung ist eine Beschäftigung mit der Frage, wie es denn anderen Angehörigen von Demenzkranken ergeht, die sich ja in einer ähnlichen Lage wie ich befinden. Daher wird in einem späteren Kapitel dargestellt, wie Angehörige ihre eigene Situation in Interviews schildern. Sehr unterstützend kann auch der Austausch in einer Gesprächsgruppe für Angehörige sein.
    Viel schwieriger als der Erwerb dieses Wissens ist natürlich der Umgang mit dem eigenen Gefühlschaos aus Trauer, Schuldgefühlen und Wut. Vielleicht ist es jedoch hilfreich, zu erkennen und zu akzeptieren, dass enge Bindungen immer zwei Seiten haben: Liebe, Zugewandtsein und Vertrautheit auf der einen Seite und Ärger, Ablehnung und manchmal sogar Hass auf den anderen.
    Auch wenn es paradox erscheinen mag, so gehört es wohl doch zu der Natur menschlicher Beziehungen, dass wir oft auf den Menschen besonders wütend und ärgerlich sind, den wir lieben. Enge Bindungen ohne Gefühle von Ärger und Aggression gibt es nicht! Und das schlechte Gewissen dem Kranken gegenüber entsteht oft im Zusammenhang mit dem Empfinden der eigenen Hilflosigkeit und dem Eindruck, selbst nicht immer in der Lage zu sein, eine optimale Versorgungssituation für ihn bewerkstelligen zu können.
    Bei dem Versuch, diese oft quälenden Gefühle zu bewältigen, ist es nicht hilfreich, sie sich auszureden oder zu ignorieren. Dagegen kann es wirklich erleichternd sein zu realisieren, dass diese Gefühle kein Zeichen persönlichen Versagens und persönlicher Schwäche sind: Sie sind Zeichen einer engen emotionalen Bindung und nicht selten der eigenen Überforderungen – und gehören zu jedem Leben ebenso wie die »schönen Gefühle«.
    TIPP
    Der Austausch in einer Gesprächsgruppe kann sehr entlasten
    Belastende und schmerzliche Gefühle sind leichter zu ertragen, wenn man sie einem anderen Menschen mitteilen kann. Dies macht eben auch den Sinn von Selbsthilfegruppen aus: Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, können sich gegenseitig stützen, indem sie sich ihre – auch als negativ erlebten – Gefühle mitteilen können. Die Einsicht: »Es geht ja nicht nur mir so!« nimmt das Gefühl persönlichen Versagens und stärkt die Fähigkeit, sich selbst und den Kranken zu akzeptieren. So kann schließlich die Erkenntnis in mir wachsen: »Obwohl du krank und oft schwierig und anstrengend bist und ich oft Schuld und Ärger und Wut und Scham empfinde, sind wir beide – du und ich – o.k.!«
    Diese Abbildung verdeutlicht, dass es auch bei Ihnen viele

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