Alzheimer und Demenzen
herbeigeführt – wieder gerät meine »Du-bist-o.k.-Haltung« ins Wanken!
Oder vielleicht denke ich, ich selbst hätte die Demenzerkrankung des anderen zu verantworten, weil durch mein eigenes früheres Fehlverhalten die Krankheit entstanden sei. Leider neigen wir immer wieder dazu, für sehr belastende Dinge einen Verantwortlichen zu suchen, in der Hoffnung, die Belastungen dadurch leichter ertragen zu können. Doch als Angehörige muss ich mir deutlich machen, dass jegliche Überlegungen zu der Frage, durch welches Verhalten die Demenzerkrankung möglicherweise zu verhindern gewesen wäre, völlig sinnlos sind:
wichtig
Da die Ursachen von Demenzerkrankungen noch immer nicht letztgültig bekannt sind, kann die Erkrankung nicht auf ein Verhalten des Kranken oder des Angehörigen zurückgeführt werden!
Außerdem ist es ein Trugschluss zu meinen, eine Krankheit ließe sich leichter akzeptieren oder ertragen, wenn man für sie einen Sündenbock finden kann. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: Je realistischer man eine Krankheit als das akzeptiert, was sie ist, nämlich ein Phänomen, das im Leben eines jeden Menschen, ja im Leben eines jeden Lebewesens auftreten kann und nichts mit Schuld oder Bestrafung zu tun hat, desto besser können die Betroffenen, d. h. der Kranke und ich als Angehörige miteinander umgehen und das Beste aus der Situation machen.
Belastende Gefühle plagen Angehörige
Es gibt noch eine Vielzahl von Gründen, die dazu führen, dass ich als Angehörige die Krankheit des anderen nicht akzeptieren kann: Möglicherweise ist es eine tiefe Angst vor der Zukunft, Angst vor den bevorstehenden Abschieden oder Abwehr gegen die Trauer. Aber immer bedeutet meine Nichtakzeptanz der Krankheit auch, dass ich den Kranken nicht als den akzeptiere, der er momentan ist!
Als Angehörige habe ich aber vielleicht auch Gefühle und Gedanken, die meine Selbstakzeptanz erschüttern: Möglicherweise habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mich gegenüber dem Kranken nicht so verhalte, wie ich es eigentlich für richtig erachten würde. Etwa etwas ungeduldiger bin als gewünscht. Oder ich habe manchmal das Bedürfnis, nicht mehr für seine Versorgung und Betreuung verantwortlich sein zu wollen, weil mirdie Belastung zu groß ist – und gleichzeitig schäme ich mich für diesen Gedanken. Die psychische Situation der Angehörigen wird in einem späteren Kapitel ausführlich behandelt (→ S. 149 ff., (→ S. 162 , (→ S. 164 ). Hier mag der Hinweis genügen, dass durch die Auswirkungen der Demenzerkrankung nicht selten auch die Selbstakzeptanz der Angehörigen beeinträchtigt wird.
Betrachtet man nun noch einmal die beiden tragenden Säulen der Kommunikation, die beiderseitigen Einstellungen der Kommunikationspartner »ich bin o.k.« und »du bist o.k.«, dann wird deutlich, wie sehr eine Demenzerkrankung die Beziehung zwischen meinem kranken Familienangehörigen und mir in ihren Grundvoraussetzungen erschüttern kann.
Ich kann für eine gute Beziehung sorgen
Nur der Angehörige kann für eine gute Kommunikation sorgen! Denn der Demenzkranke ist dazu nicht mehr in der Lage. Wer eine akzeptierende und positive Grundhaltung zu seinem Partner entwickelt, schafft – trotz aller Schwierigkeiten – die Grundvoraussetzungen für einen guten und harmonischen Kontakt.
Für mich als Angehörige ist es wichtig zu erkennen, dass Veränderungen, die unsere Beziehung verbessern und unsere Kommunikation fördern, immer nur von mir ausgehen können. Die Hoffnung, den Kranken zu verändern, ihn z. B. zu einer bestimmten Einsicht zu bewegen oder ihn durch Argumente zu überzeugen, ist unrealistisch. Ein Demenzkranker ist kaum mehr in der Lage zu lernen. Und ein auf Einsicht beruhendes verändertes Verhalten setzt Lernprozesse voraus. Deshalb müssen Veränderungen immer von mir ausgehen!
Noch einmal sei hier an die Vorstellung von »Kommunikation als System« erinnert: Ich als Angehörige und der Kranke bilden gemeinsam ein System, in dem es auch zu Veränderungen beim Kranken kommt, wenn ich mich anders verhalte. Bei einem Kommunikationssystem, in dem einer der Partner demenzkrank ist, können Veränderungen nur durch den nicht demenzkranken Partner in das System eingeführt werden. Wenn ich es also schaffe, meine »Ich-bin-o.k.-und-Du-bist-o.k.-Haltung« (wieder) zu erwerben, wird sich sehr wahrscheinlich auch etwas aufseiten des Kranken verändern: Er kann sich wieder mehr angenommen und in seinem
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