Alzheimer und Demenzen
von den Dingen bestimmen mich und mein Handeln, bestimmen, wie ich Probleme verarbeite, welche Entscheidungen ich treffe, wie ich Anforderungen bewältige, welchen Sinn ich meinem Leben eigentlich abgewinne.
Diesem Langzeit-Wissensfundus werden ständig neue Informationen hinzugefügt: Informationen, die im Kurzzeitgedächtnis aufbereitet und verarbeitet und anschließend ins Langzeitgedächtnis übertragen werden. Mit wachsendem Wissensbestand entwickelt sich auch meine Identität ständig weiter.
Wenn neue Erfahrungen nicht im Gedächtnis bleiben
Demenzerkrankungen gehen mit Gedächtnisbeeinträchtigungen einher. Dabei ist das Kurzzeitgedächtnis meist viel früher und wesentlich stärker betroffen. Zwar können neue Informationen noch sehr kurzfristig aufbewahrt werden, doch funktioniert der Übertrag ins Langzeitgedächtnis meist nicht mehr: Es gelangen keine Informationen mehr in das Langzeitgedächtnis.
Wenn aber nichts Neues mehr in das Langzeitgedächtnis aufgenommen werden kann, kann ein Mensch seine Lebensgeschichte nicht mehr fortschreiben. Sein inneres Tagebuch hat ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch leere Seiten.
Wenn der Demenzkranke also auf den letzten beschriebenen Seiten seines inneren Tagebuchs noch als guter Autofahrer beschrieben wird, dann bleibt er in seinem Selbstbild ein guter Autofahrer, auch wenn er jetzt, da in dieses Tagebuch nichts mehr eingetragen werden kann, zunehmend unsicher und unkonzentriert fährt. Neue Erfahrungen können dem Selbstbild nicht mehr hinzugefügt werden! Wenn ein Erlebnis beendet ist, wird es vergessen und hinterlässt keine Spuren.
Wenn auch die Erinnerungen an früher verloren gehen
Für den Kranken sind jedoch die Gedächtnisstörungen viel bedrohlicher, die für sein bestehendes Selbstbild, für sein Wissen um die eigene Identität gefährlich werden, nämlich Beeinträchtigungen des Langzeitgedächtnisses. Während Störungen des Kurzzeitgedächtnisses dazu führen, dass der Kranke keine neuen Erfahrungen mehr speichern kann, kommt es im weiteren Verlauf der Erkrankung durch Beeinträchtigungen des Langzeitgedächtnisses dazu, dass der Kranke auch alte Erfahrungen und Erlebnisse verliert.
Dann weiß er vielleicht nicht mehr, wie viele Geschwister er hat, wie viele Kinder, wo er geboren ist, welchen Beruf er hatte, wer seine Freunde sind, was seine großen und kleinen Ziele im Leben waren. Dies nimmt einem Menschen seinen noch letzten Halt im Leben – den letzten Rest Identität, den letzten Rest Stolz.
Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, wie verunsichernd dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit für den Betroffenen wohl ist!
Da diese Erlebnisse nicht selten massive psychische Störungen wie Aggressionen, Depression, Wahnvorstellungen oder Ängste und natürlich auch großes persönliches Leiden hervorrufen, hat Barbara Romero auf der Basis vieler anderer therapeutischer Umgehensweisen und Erkenntnisse eine Umgangsform mit demenzkranken Menschen entwickelt, die sie Selbst-Erhaltungs-Therapie nennt.
wichtig
Von den positiven Wirkungen der SET profitiere natürlich auch ich als Angehörige, weil die erwähnten psychischen Reaktionen und Verhaltensweisen des Kranken, die durch sein Gefühl von Selbstverlust verursacht werden, gelindert und reduziert werden können, was auch mich stark entlastet.
Wie SET funktioniert
Alles, was Sicherheit schafft und dem Leben Struktur gibt, gibt dem Demenzkranken Halt. Eine vertraute Umgebung signalisiert Schutz, konstante Bezugspersonen geben Vertrauen, ein ruhiger Tagesablauf vermittelt Orientierung. Auch Therapieformen können bei der Selbsterhaltung helfen.
Die Prinzipien, die der SET zugrunde liegen, sind nicht völlig neu erfunden. Vielmehr ist die SET eine Zusammenstellung anderer therapeutischer Umgehensweisen wie z. B. der bereits einfühlsamen Kommunikation (→ S. 90 ff.) und der Erinnerungstherapie (→ S. 131 ).
Bemerkenswert und innovativ sind also weniger die einzelnen Prinzipien und Methoden der SET als vielmehr die Erkenntnis des gefährdeten Selbst bei Demenz und die Erfahrung, dass dieser Gefährdung durch eine Kombination folgender Methoden und Verhaltensweisen entgegengewirkt werden kann. Ziel aller dieser Prinzipien ist es, dem Kranken zu helfen, Antworten auf die fundamentalen Fragen zu finden: »Wer war ich einmal?«, »Wer bin ich jetzt?«, »Wie bin ich?« etc.
Die vertraute Umgebung bietet Erinnerungsstützen
Wenn ein Mensch Gefahr läuft, sein Wissen von sich
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