Am Abend des Mordes - Roman
wie ihr Mann.
Als Gunnar Barbarotti aus dem Hauseingang von Blekingegatan 76 trat, war es Viertel nach zwölf, und was diese so genannte Ermittlung betraf, mit der er sich herumschlug, spürte er nunmehr deutlich, dass er das Ende der Fahnenstange erreicht hatte.
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E va Backman war genervt.
Und zwar von praktisch allem. Von Kriminalassistent Wennergren-Olofsson, mit dem sie am Vorabend bis sechs Uhr in sinnlosen, kriminalpolitischen Beratungen zusammengesessen hatte. Von ihrem Exmann, mit dem sie an diesem Morgen telefoniert hatte. Von seiner Frau, dieser eingebildeten Gans, und von einem geleckten Anwalt namens Wilkerson, der die beiden früheren Eheleute ermahnt hatte, miteinander zu sprechen. Desweiteren auf ihrer Liste: ein Journalist der Zeitung GT , der sie in den letzten zwei Tagen elf Mal angerufen hatte, Raymond Fängström, der zu Lebzeiten ein Idiot und Rassist gewesen war und den schlechten Geschmack gehabt hatte, sich von einem oder mehreren unbekannten Mördern vergiften zu lassen, Gunnar Barbarotti, weil er nach Stockholm gefahren war und nicht zur Verfügung stand, damit sie ihm ihr Leid klagen konnte, sowie Gott, der Allmächtige, weil er zugelassen hatte, dass Marianne gestorben war.
Und weiteres in dieser Art. Außerdem würde sie in zwei Tagen ihre Tage bekommen, und außerdem war Samstag.
Es war mit Eva Backmans Weltanschauung unvereinbar, dass man an einem Samstag arbeitete, aber wenn ein vom Volk gewählter Schwedendemokrat unter unklaren Umständen das Zeitliche segnete, musste man eben brav alle Hebel in Bewegung setzen.
Alle Hebel in Bewegung setzen ? So hatte Asunander es bei der gut besuchten Pressekonferenz am Vortag formuliert, und da sie schon einmal dabei war, alle Objekte, von denen sie genervt war, aufzulisten, platzierte sie den Kommissar flugs auf einen der Medaillenränge.
Im Moment saß sie in ihrem Büro und wartete. An ihrem hässlichen, leicht wackelnden Schreibtisch mit einem Computer, der prallvoll mit unbeantworteten Mails war und Stapeln schlecht geschriebener Berichte, zu deren Lektüre sie noch keine Zeit gefunden hatte. Vor dem Fenster war Vorsommer. Lill-Marlene Fängström hatte ihr versprochen, um zehn Uhr da zu sein. Jetzt war es Viertel nach.
Lill-Marlene, dachte Eva Backman. Ein bescheuerter Name.
Sie war stark geschminkt und sah ungefähr so aus wie auf den Fotos in den Zeitungen. Und wie bei ihren früheren Begegnungen. Eine Sechzigjährige, die versuchte, wie achtundzwanzig auszusehen. Lill-Marlene Fängström hatte aus dem Tod ihres Sohnes, des Mandatsträgers, eine große Sache gemacht. Hatte sich in allen möglichen Medien, sowohl sozialen als auch traditionellen, geäußert. In ihrem frisch eingerichteten Blogg hatte sie Namen und Stimmen und unterstützende Kommentare von diversen zweifelhaften Seiten gesammelt, und es war sogar die Ansicht laut geworden, dass sie auf den Platz ihres dahingegangenen Raymonds im Stadtrat nachrücken sollte.
Diesen Vorschlag hatte sie allerdings nicht selber vorgebracht, sie hatte keinerlei Ambitionen dieser Art und interessierte sich, wenn Eva Backman es richtig sah, nicht sonderlich für Politik. Dass sie im Großen und Ganzen die gleichen Ansichten vertrat wie ihr Sohn, war allerdings kein Geheimnis. Wenn sie twitterte und bloggte und bei ihren Verlautbarungen unterbelichteten Journalisten gegenüber vertrat sie im Prinzip zwei Positionen: erstens musste die Polizei die hinterhältigen und unzuverlässigen Ausländer fassen, die ihren Sohn getötet hatten. Wenn das erledigt war und man sie (ihn? die Frau?) hinter Schloss und Riegel gebracht hatte, sollten alle anderen aus Kymlinge ausgewiesen werden. Also diese hinterhältigen Elemente. Also von fremdländischer Herkunft. Damit sich rechtschaffene Bürger nachts wieder auf die Straße trauen konnten.
Zweitens verlangte sie Personenschutz. Sie fühlte sich auf Straßen und Plätzen nicht mehr sicher, und natürlich trachtete man auch ihr nach dem Leben.
So sah es aus. Eva Backman hatte zwei Mal mit ihr gesprochen, und zu einem weiteren Gespräch kam es nun auf Lill-Marlene Fängströms eigenen Wunsch. Am späten Freitagnachmittag (gegen Ende der deprimierenden Beratungen mit Wennergren-Olofsson) hatte sie im Polizeipräsidium angerufen und mitgeteilt, sie habe wichtige Informationen mitzuteilen, so wichtige, dass sie diese nicht am Telefon erörtern wolle.
Der spätere Abend sei ebenfalls ausgeschlossen, da sie dann anderes zu tun habe.
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