Am Abend des Mordes - Roman
sicher einen Meter fünfundachtzig groß. Dunkelhaarig und durchsetzungsfähig, und dass ihre Wurzeln nicht in Knivsta oder der Västgötländischen Ebene zu finden waren, vermutete Barbarotti sofort. Er fragte sich kurz, ob es voreingenommen war, solche Schlüsse zu ziehen, und entschied, dass es nicht so war. Jedenfalls war sie irgendwie imposant, in ähnlicher Weise wie eine rumänische Speerwerferin bei der Olympiade.
Und als solche musste sie natürlich täglich kiloweise Möhren futtern, um in Form zu bleiben. Wer lässt nur solche Beobachtungen in meinen Schädel, dachte Barbarotti gereizt. Weg mit dem Mist. Jedenfalls hatte sie dunkle Augen und dichte dunkle Haare, in die sich das eine oder andere graue eingeschlichen hatte. Ihm wurde klar, dass sie älter sein musste als ihr Mann. Fünf Jahre mindestens, vielleicht auch mehr. Ein Hauch von einem Akzent, aber nicht mehr als ein Hauch. Möglicherweise ein deutscher?
»Danke, dass ich zu Ihnen kommen durfte«, sagte er. »So ist es doch viel einfacher, als zu einer Polizeiwache fahren zu müssen.«
Es kann nicht schaden, die Kräfteverhältnisse klarzustellen, dachte er. Man sah daraufhin auch, dass die Bemerkung sie erstaunte, trotzdem blieb sie unkommentiert.
»Natürlich«, sagte sie nur. »Billy sitzt da drinnen. Ich habe vor, dabeizubleiben, Sie haben doch sicher nichts dagegen einzuwenden?«
»Ich muss mit Billy leider unter vier Augen sprechen«, entgegnete Barbarotti. »Vielleicht können wir zwei hinterher auch noch ein paar Worte wechseln, aber es ist nicht unbedingt gesagt, dass dies notwendig sein wird.«
Sie standen immer noch in dem engen Flur. Sie hielt das letzte Stück Möhre hoch, das sie bisher hinter ihrem Rücken versteckt hatte. Als versuchte sie, es irgendwie sorgsam unter die Lupe zu nehmen. Sein innerstes Wesen oder worum es sonst gehen mochte – oder um es mit dem Polizisten zu vergleichen, den sie widerwillig in ihre Nähe gelassen hatte. Aus irgendeinem Winkel der Wohnung ertönte leise Musik, aber ein gewisser Billy war noch nicht aufgetaucht.
»Dann gehen Julia und ich jetzt einkaufen«, entschied Juliana Peters, als das Kräftemessen vorbei war, und rief ihren Mann. »Billy, dieser Bulle ist jetzt hier!«
Fünf Minuten später saß er Billy Helgesson an einem ovalen Glastisch gegenüber, der mit Nippes übersät war, größtenteils kleinen Tieren, auch diese aus Glas, auf winzigen Strickdeckchen. Ihre Kaffeetassen fanden nur mit Mühe und Not Platz. Juliana und Julia – ein großes und schlaksiges, etwa zwölf Jahre altes Mädchen, das hereingekommen war und ihn höflich gegrüßt hatte – waren Erledigungen machen gegangen, hatten aber versprochen, in einer Stunde zurück zu sein. Für den Fall, dass der Bulle ein paar Worte wechseln wollte, wie er angedeutet hatte.
Er war sich nicht sicher, ob sie das Wort Bulle herabsetzend meinte. Wirklich nicht.
Billy Helgesson passte in Bezug auf Größe und Statur mehr als perfekt zu seiner Frau. Zumindest äußerlich. Was seine innere Stärke betraf, sah es wahrscheinlich anders aus, zumindest war das Barbarottis erster Eindruck. Diesen großen und schweren Mann, der zusammengesunken auf der Ledercouch saß, umgab etwas Weichliches und Unterwürfiges; es sah aus, als fühlte er sich unwohl, und zwar sowohl in diesem Zimmer als auch in seinem Körper – als auch in Inspektor Barbarottis Gesellschaft. Die Kaffeetasse in seiner großen Pranke erinnerte an einen Fingerhut. Das Einzige, was er bisher von sich gegeben hatte, war ein zaghaftes »Guten Tag« gewesen. Schüchtern war noch untertrieben, wie man so sagte, und Barbarotti fiel eine Figur aus einem Buch von John Steinbeck ein, das er vor langer Zeit gelesen hatte, an dessen Titel er sich jedoch nicht mehr erinnerte.
»Also gut«, sagte er, nachdem er gehört hatte, dass die Wohnungstür ins Schloss gefallen war. »Es ist wirklich nett von Ihnen, dass Sie sich die Zeit für ein kurzes Gespräch mit mir nehmen.«
»Ja, klar«, sagte Billy Helgesson.
»Wie gesagt«, setzte Barbarotti an. »Ich bin gekommen, weil es da ein paar Dinge gibt, in die wir Klarheit zu bringen versuchen. Es geht vor allem um Arnold Morinder, mit dem Ihre Mutter einige Jahre zusammengelebt hat. Ich nehme an, Sie sind ihm begegnet?«
»Ja«, antwortete Billy Helgesson. »Ein Mal.«
»Nur ein Mal?«
»Ja. Ich war dort.«
»Sie meinen, Sie haben die beiden in Kymlinge besucht?«
»Ja.«
»Wo wohnte sie?«
»An den Straßennamen erinnere ich
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