Am Abend des Mordes - Roman
sie herumreisen, oder was?«
Kannst du nicht einmal eine Sekunde still sein, damit ich überlegen kann, dachte Backman.
»Sie ging nur ein Jahr in unsere Klasse, aber mein Gott, hat der die angehimmelt«, fuhr Lill-Marlene Fängström unverdrossen fort. »Ich glaube, sie ließ ihn auch mal an sich ran, ich meine nicht richtig, nur Petting. Aber sie war ja auch so komisch, ein richtiges Mauerblümchen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Hatte keine Freundinnen, so viel ist sicher. Und dann hat sie die Schule gewechselt. Auch gut.«
»Und wann war das?«, fragte Backman.
Lill-Marlene Fängström steckte einen Zeigefinger in den Mund und dachte drei Sekunden nach.
»In der acht«, sagte sie. »Ja, das war im Frühjahr in der achten Klasse. Also, als ich gesehen habe, wie sie herumknutschten. Es war auf einer Schultanzveranstaltung, das hieß damals so.«
»Augenblick mal«, sagte Backman. »Sie behaupten also, dass Arnold Morinder und Ellen Bjarnebo in der Jahrgangsstufe acht in dieselbe Klasse gingen, und dass sie vielleicht … dass sie vielleicht ein bisschen zusammen waren.«
»Was spielt denn das für eine Rolle?«, konterte Lill-Marlene Fängström und schaffte es, ihren Fuß in den Schuh zu zwängen. »Ich sage doch nur, dass einer der beiden Typen auf der Bank aussah wie Morinder. Ich sage nicht, dass er es war. Wollten Sie nicht eine Personenbeschreibung haben?«
Eva Backman lehnte sich zurück und überlegte einen Moment.
»Sicher«, sagte sie. »In Ordnung. Und der Zweite, wie sah der aus?«
»Der wirkte jünger«, antwortete Fängström. »Lange Haare, die ihm ins Gesicht hingen. Schwer zu sehen, wie er dahinter aussah. Natürlich auch dunkelhaarig. Aber ich konnte ja auch schlecht dastehen und die beiden anglotzen. Ich wusste doch nicht, ob sie bewaffnet sind.«
»Können Sie beschreiben, wie sie gekleidet waren?«, fragte Backman.
Gleichzeitig schaltete sie ihr Aufnahmegerät ein, während sie bisher keinen Gedanken daran verschwendet hatte, es zu benutzen. Die Mutter des toten Schwedendemokraten widmete sich fünf weitere Minuten der Aufgabe, das Paar auf der Bank zu beschreiben, aber Eva Backman ließ das Band laufen und ihre eigenen Gedanken in eine ganz andere Richtung abschweifen.
Hat das etwas zu bedeuten?, fragte sie sich.
Und wenn ja, was? Was spielte es schon für eine Rolle, ob Bjarnebo und Morinder sich schon als Teenager gekannt hatten? Vermutlich gar keine, aber sie war sich sicher, dass es auf jeden Fall eine Neuigkeit war.
Jetzt mach, dass du wegkommst, du Schnepfe, dachte sie. Ich muss ein wichtiges Telefonat führen.
Aber es dauerte weitere zwanzig Minuten, bis Lill-Marlene Fängström bereit war, das Polizeipräsidium von Kymlinge zu verlassen – und bevor sie es tat, hatte Eva Backman sie ausdrücklich ermahnt, sich am Montagmorgen um neun Uhr erneut einzufinden. Um diese Uhrzeit würde sie nämlich Kriminalassistent Wennergren-Olofsson gegenübersitzen und ihm exakt das erzählen, was sie ihr selbst in der letzten Stunde erzählt hatte.
Oh ja, so arbeitete man bei Fällen dieser Art, erläuterte sie des Weiteren. Alles wurde äußerst ernst genommen, nichts dem Zufall überlassen. Insbesondere dann nicht, wenn es um einen Mandatsträger ging. Das fehlte gerade noch.
Als sie wieder allein in ihrem Büro war, rief sie zunächst Wennergren-Olofsson an und gab die Informationen wieder, die sie soeben bekommen hatte. Erwähnte Morinder und Bjarnebo allerdings nicht. Wennergren-Olofsson analysierte die Situation blitzschnell und erklärte, dass man aller Wahrscheinlichkeit nach vor einem Durchbruch in den Ermittlungen stehe. Warum also bis zum Montagmorgen warten?
Weil schönes Wetter ist, antwortete Backman. Jetzt mach mal keine Panik.
Sie legte auf, ehe er protestieren konnte.
Stattdessen wählte sie Barbarottis Handynummer. Er meldete sich nicht, bat sie vielmehr, ihm nach dem Signalton eine Nachricht zu hinterlassen.
Das tat sie; ohne zu enthüllen, was sie auf dem Herzen hatte. Bat ihn nur kurz und bündig, sie anzurufen, sobald er endlich den Arsch hochbekam.
Als auch dieses Detail abgehakt war, merkte sie erstaunt, dass ihr Ärger größtenteils verraucht war.
26
Der 3. Juni 1989
Sie hatte vorgehabt, eine Obergrenze festzulegen, gab aber nach.
Hatte vorgehabt, ihm zu sagen, dass er für höchstens zwanzig Kronen Süßigkeiten kaufen dürfe, aber in Anbetracht seines flehenden Blicks und der traurigen Unterlippe gab sie, wie üblich, nach. Sie kauften
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