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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Lakritzriemen, Drops und kleinere Süßigkeiten für über fünfunddreißig Kronen, und als sie von der Tankstelle heimgingen, sah sie, dass er glücklich war.
    So glücklich er denn sein konnte. Er sagte nichts, natürlich nicht, aber er ging dicht neben ihr und kaute und brummte, wie er es immer tat, wenn es ihm gut ging.
    So gut es ihm denn gehen konnte. Eine Art tief vibrierender Urton drang aus seiner Kehle, und sie war sich nicht sicher, dass er ihm überhaupt bewusst war. Mein Schweinchen, dachte sie, wie sollst du nur im Leben zurechtkommen?
    Als sie auf dem Rückweg an Groß-Bruma vorbeikamen, begegneten sie Ingvor und Erik; die beiden wollten gerade in den Wagen steigen, um in irgendeiner Angelegenheit in die Stadt zu fahren, und sie dachte, dass es für einen Außenstehenden aussehen musste, als begegneten sich zwei verschiedene Welten. Erik und Billy waren praktisch gleichaltrig, aber sie hatten schon mit sieben aufgehört, miteinander zu spielen, weil sie zu verschieden waren. Jetzt schauten sie sich nicht einmal mehr an; Erik trug eine enge, schwarze Jeans und ein rotes Hemd, das aus einem blassgelben Pullover mit V-Ausschnitt herauslugte, und keines dieser Kleidungsstücke schien älter als eine Woche zu sein, und für die Kleidung seiner Mutter galt im Großen und Ganzen das Gleiche. Ja, es war wirklich eine Szene aus einem alten englischen Film: Herrschaft und Gesinde, die sich unverhofft auf dem Hof vor dem Gutshaus begegnen. Ingvor setzte ein Lächeln auf.
    »Hallo, wir haben es ein bisschen eilig.«
    »Lasst euch durch uns nicht aufhalten«, sagte Ellen.
    Vor zwei Stunden habe ich deinen Mann gevögelt, hätte sie hinzufügen können. Dafür hätte es zwar keinen triftigen Grund gegeben, aber es hätte Spaß machen können, ihre Reaktion zu beobachten. Die des Sohns und die der Betrogenen.
    »Wie läuft es mit dem Pool?«, erkundigte sie sich stattdessen.
    »Danke, gut«, antwortete Ingvor und gab sich alle Mühe, ihr Lächeln beizubehalten. Sekundenlang ging ihr wahrscheinlich durch den Kopf, ob sie gezwungen sein würde, zu einer Art Probeschwimmen einzuladen, aber ihre nüchternere Seite gewann die Oberhand, und sie unterließ es.
    »Wir haben es ein bisschen eilig«, wiederholte sie. »Bis bald.«
    »Bis bald«, sagte Ellen, und Billy brummte.
    Erik gab keinen Mucks von sich. Ließ sich zu einem hohlen Kopfnicken herab und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    Eins haben wir jedenfalls gemeinsam, Harry und ich, dachte Ellen, als sie die beiden davonfahren sah. Unsere Nachbarn haben wir beide gleich gern.
    Er ließ auf sich warten.
    Dagegen hatte sie nichts, aber während die Nachmittagsstunden verstrichen, sorgte sie sich dann doch zusehends. Wenn Harry in der Stadt blieb, hieß das, er traf sich mit alten Freunden. Davon gab es weiß Gott nicht viele, schätzungsweise zwei, schätzungsweise Staffan und Börje – darüber hinaus möglicherweise noch einen unangenehmen, schmierigen Typen, der Ziggy genannt wurde −, aber dies hieß sehr wahrscheinlich auch, dass sie Karten spielten. Poker und Bier. Wenn Harry verlor, war er bei seiner Heimkehr immer besonders unausstehlich. Und er verlor fast immer.
    Außerdem hatte er das Auto genommen. Sie hatten sich mehrfach gestritten, weil er mit Alkohol im Blut fuhr, und die letzte Diskussion hatte damit geendet, dass er ihre Lippe zum Aufplatzen brachte.
    Sie beschloss, trotz allem dieses Schweinefilet aus Dänemark zuzubereiten. Wenn es bei Harry richtig spät wurde, würden sie und Billy zu zweit essen, und was übrig blieb, konnte aufbewahrt und im Ofen erwärmt werden. Im Übrigen war auch gar nicht gesagt, dass er bei seiner Rückkehr Hunger haben würde, vielleicht hatte er mit seinen Kumpels auch eine Pizza gegessen. Das kam vor, aber nicht immer.
    Während sie am Küchentisch saß und Champignons kleinschnitt, tauchte ein Gedanke auf, der ihr in letzter Zeit zusetzte: Es wäre wirklich vollkommen egal, wenn er nicht zurückkäme. Wenn er sich beispielsweise im Suff totführe, und um das Haus würde sie nicht eine Sekunde trauern. Außer für die Galerie natürlich. Es war furchtbar, so zu denken, und wie üblich verdrängte sie das in eine schlecht beleuchtete Nische ihres Bewusstseins.
    Es war eben nur so ein Gedanke, wie sollte der einen Unterschied ausmachen? Und in dieser Nische hatte sich so einiges angesammelt.
    Ein paar Minuten nach halb sieben hörte sie das Auto auf den Hof rollen. Sie hatten noch nicht gegessen, so dass sie

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