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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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sie. »Aber das wissen Sie wahrscheinlich schon. Auf Klein-Burma wohnten Harry, Ellen und Billy. Das war … na ja, wir waren ja mit ihnen verwandt, Vater und Harry waren Cousins, aber wir hatten praktisch keinen Kontakt zu ihnen. Vor allem nicht zu Billy. Tomas nicht, Erik nicht, ich nicht. Erik und Billy waren gleich alt, aber Billy war irgendwie so anders, dass es … dass es einfach nicht ging. Er konnte irgendwie nicht spielen. Sind Sie ihm begegnet?«
    Barbarotti bekannte, dass er ihn getroffen hatte.
    »Dann wissen Sie ja Bescheid«, sagte sie. »Er wohnt heute in Stockholm. Ich bin ihm einmal zufällig begegnet und habe ein paar Worte mit ihm gewechselt. Heute geht das.«
    »Er sprach nicht, als er auf Klein-Burma wohnte?«, fragte Barbarotti.
    »Nein. Er war ein unglaublicher Eigenbrötler. Es gibt sicher irgendeine Diagnose dafür, aber das ist es nicht, wovon ich Ihnen erzählen will. Es geht nicht um Billy, es geht um etwas anderes.«
    Barbarotti nickte. Inger Berglund räusperte sich.
    »Meine Mutter und mein Vater ließen sich zwei Jahre nach Harrys Ermordung scheiden. Wir Kinder begriffen im Grunde nie, warum, zumindest ich nicht. Bis mein ältester Bruder Tomas es mir ein paar Jahre später erklärte.«
    »Aha?«, sagte Barbarotti.
    »Unser Vater, Göran Helgesson, hatte ein Verhältnis mit Ellen Bjarnebo.«
    »Ach, du Schreck«, sagte Barbarotti in Ermangelung von etwas Besserem.
    Inger Berglund zog wieder an ihrer Zigarette. »Genau. Lustig übrigens, dass sie Bjarnebo und nicht Helgesson heißt, wenn ich an sie denke. Aber egal, offenbar ging das ein Jahr lang so, und wenn ich es richtig verstanden habe, lief es auch noch den ganzen Sommer … also, solange Harry nur verschwunden war. Bevor sie ihn fanden.«
    »Wie war das Verhältnis zwischen Ihrer Mutter und Ihrem Vater?«, fragte Barbarotti.
    »Ich weiß es nicht. Es war halt, wie es war, aber es traf uns auf jeden Fall unvorbereitet, dass sie sich scheiden lassen wollten. Es gab doch den Hof und alles … gewöhnliche Menschen können sich vielleicht trennen, aber bei einem landwirtschaftlichen Betrieb sieht das ganz anders aus. Ich war elf, als sie auseinanderzogen, und drei Jahre später verkaufte Vater den Hof. Sie wussten nichts davon?«
    »Nein«, antwortete Barbarotti. »Das wusste ich nicht. Wie kam die Sache zwischen Ihrem Vater und Ellen Bjarnebo denn heraus? Entschuldigen Sie bitte, dass ich frage, aber wenn ich recht sehe, beschlossen Ihre Eltern, sich scheiden zu lassen … ja, was haben Sie gesagt? Anderthalb Jahre, nachdem Ellen in Hinseberg gelandet war? Das Verhältnis kann ja wohl kaum fortbestanden haben, während sie …?«
    »Jemand hat es Mutter erzählt«, unterbrach Inger Berglund ihn.
    »Jemand?«, sagte Barbarotti.
    »Ich glaube, sie war es selbst, also Ellen. Vielleicht, um sich irgendwie zu rächen, ich weiß es nicht. Sie schickte einen Brief oder rief aus dem Gefängnis an, aber ich kann mich auch irren. Jedenfalls bekam Mutter es heraus. Nach der Scheidung zog ich mit ihr nach Göteborg, Erik und Tomas blieben bei Vater. Es war sicher so gedacht, dass sie sich zu dritt um den Hof kümmern würden, aber das funktionierte nicht. Keiner meiner Brüder interessierte sich sonderlich für Landwirtschaft, und am Ende begriff wohl auch Vater, wie die Dinge lagen. Die beiden wollten studieren, statt sich zwischen Schafen und Kühen schmutzig zu machen. Vielleicht hatte Vater das Ganze auch einfach satt. Jedenfalls wurde unsere Familie völlig auseinandergerissen. Und so ist es bis heute geblieben. Mutter wohnt noch immer in Göteborg, ist pensioniert, einsam und verbittert. Vater starb vor zwei Jahren in Spanien. Als ziemlich starker Alkoholiker, um die Wahrheit zu sagen. Tomas ist so ein Computerfreak und lebt in Kalifornien, und Erik … tja, Erik macht an verschiedenen Orten in Immobilien, vor allem unten in Malmö, ich denke, es sah einige Male ziemlich übel für ihn aus. Wir sehen uns nie, nicht einmal Weihnachten. Für Tomas und Erik gilt das Gleiche.«
    »Das klingt jetzt nicht, als würden Sie Ihre Familie vermissen?«, sagte Barbarotti.
    »Nein«, antwortete Inger Berglund, ließ eine halbgerauchte Zigarette auf die Erde fallen und trat darauf, »das tue ich nicht, und das ist sicher das wirklich Traurige.«
    »Inwiefern?«, sagte Barbarotti.
    Sie blickte auf das Wasser hinaus und schwieg einige Sekunden. »Als ich klein war, bildeten wir doch trotz allem eine Familie, hielten zusammen und so, jedenfalls bildete

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