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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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davon, dass er gut aussah (soweit Barbarotti das beurteilen konnte, bei der Einschätzung des anderen Geschlechts war sein Urteil sicherer) und ein Semester über Sara Jura studierte, Hobbytaucher war und alle möglichen Wassersportarten trieb. Mit anderen Worten gesund, begabt und sympathisch – das einzig Negative war eventuell, dass man ihn problemlos als Traum jeder Schwiegermutter bezeichnen konnte. Aber da die am ehesten betroffene Schwiegermutter seit einem Monat nicht mehr lebte, war das ein wenig schlagkräftiges Argument. Dieser Gedanke huschte im Übrigen so schnell durch Barbarottis Kopf, dass er kaum wehtat. Gott sei Dank, immerhin etwas.
    Seit vielen Jahren hatte Gunnar Barbarotti zudem Probleme mit – auf die eine oder andere Art – wohlgeratenen Menschen, was für künftige Schwiegersöhne jedoch nicht zu gelten schien. Sie aßen lange und gut in einem Restaurant am oberen Ende der Drottninggatan und unterhielten sich dabei ziemlich viel über juristische Themen, wobei er erstaunt feststellte, dass er im Laufe des halben Lebens, das vergangen war, seit er mit seiner Nase über den Büchern gehangen hatte, doch nicht alles vergessen hatte. Auch wenn seither das eine oder andere Gesetz hinzugekommen war. Ein paar Hundert im Jahr, um genau zu sein.
    Hinterher verabschiedeten sie sich auf der Straße. Max nahm die U-Bahn nach Enskede hinaus, Sara und Barbarotti spazierten zur Vikingagatan.
    Sie tranken einen Tee und unterhielten sich noch eine Stunde. Kurz nach Mitternacht schlief er in der zweiten Nacht in Folge auf ihrer geräumigen roten Couch ein.
    Er träumte von einem Riesenpinguin, der als Tauchlehrer arbeitete, und erwachte am Sonntagmorgen um kurz vor sieben.
    Sara schlief tief und fest, und er betrachtete sie einen Augenblick durch die Türöffnung zum Schlafzimmer. Er kochte Kaffee und machte es sich in dem Liegestuhl auf dem winzigen Balkon zum Hof bequem, wo die Sonne gerade über den Dachfirst im Süden geklettert war.
    Fast eine Stunde blieb er in der angenehmen Morgenwärme sitzen, während er wieder einmal zu verstehen versuchte, was er da eigentlich trieb. Also beruflich. Er ging hinein, holte Notizbuch und Stift und schaffte es daraufhin, sechs Fragen zu formulieren, die das ganze Gewirr seines Erachtens recht gut einkreisten:
    1. Warum beschäftige ich mich überhaupt mit diesem Fall (diesen Fällen)?
    2. Warum bekomme ich keinen Kontakt zu Ellen Bjarnebo?
    3. Was geschah wirklich mit Arnold Morinder?
    4. Ist tatsächlich denkbar, dass er noch lebt?
    5. Habe ich in den Gesprächen, die ich trotz allem geführt habe, irgendetwas übersehen?
    6. Welche Maßnahmen sind im Weiteren zu ergreifen?
    Jede dieser Fragestellungen zog natürlich weitere Fragezeichen nach sich, aber es erschien ihm wenig sinnvoll, sie aufzuschreiben. Er erkannte, dass Punkt 4 sich als Reaktion auf seine überraschende Begegnung mit Anna Gambowska ergeben haben dürfte. Wenn jemand wie Ante Valdemar Roos (möglicherweise und wider Erwarten) noch lebte, konnte für Arnold Morinder (möglicherweise und wider Erwarten) das Gleiche gelten. Ein Moped in einem Sumpf bewies gar nichts. Jedenfalls nicht mehr als ein Auto in einem Wald vor den Toren Maardams.
    Die Frage, warum es ihm nicht gelingen wollte, Ellen Bjarnebo zu erreichen, fand er allerdings von Tag zu Tag frustrierender. Frustrierend und eigenartig. Der Gedanke, dass sie ihm aus dem Weg ging (aus Gründen, die ihm unverständlich waren, aber es musste natürlich eine Ursache dafür geben), wog entsprechend immer schwerer. Oder hatte sie die Polizei bloß satt? Pfiff sie einfach auf ihn? Wenn man bedachte, wie man sie bei Morinders Verschwinden unter Druck gesetzt hatte, wäre dies sicher nicht weiter verwunderlich, und Barbarotti wäre als Erster bereit, eine solche Vermutung zu unterschreiben.
    Daraus ergab sich natürlich auch die Antwort auf Frage 6. Ihm blieb nur noch eins zu tun, Ellen Bjarnebo zu finden. Ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberzusitzen und sich anzuhören, was sie zu sagen hatte. Alles andere – ebenso wie alles, was er bisher zustande gebracht hatte – erschien ihm im Vergleich dazu einigermaßen sinnlos.
    Warum man ihn überhaupt beauftragt hatte, der Problematik Bjarnebo/Morinder noch einmal nachzugehen – Frage 1 –, hatte ihm schon genügend Kopfzerbrechen bereitet. Asunander hatte zugegeben, dass es einen Grund gab, und Barbarotti setzte voraus, dass er erfahren würde, wie dieser Grund lautete, wenn sie sich in zwei Tagen

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