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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Holzanhängern, obwohl die hier seit vielen Jahren nicht mehr unterwegs gewesen waren – führte in einem weiten Bogen durch den Wald und kreuzte zwei Mal einen murmelnden Bach, und an der zweiten schlichten Holzbrücke hatte man Eleonora gefunden. Für die gesamte Strecke benötigte man ungefähr eine halbe Stunde, und es war besser, sich zu bewegen, als stillzusitzen. Ellen war den Weg schon häufiger gegangen, der sich natürlich verzweigte, aber sie hätte ihn mit verbundenen Augen gefunden.
    Vielleicht hatte sie gehofft, zu einer Art Entscheidung zu kommen, dass ihr der Fußmarsch durch die säuselnde Stille des Waldes in irgendeiner Form auf die Sprünge helfen würde, aber daraus wurde nichts. Fünfunddreißig Minuten später war sie wieder auf dem Hof, zwar noch voller Entscheidungsfreude, aber ohne sich für etwas entschieden zu haben. Die Sonne war untergegangen, und unterstützt von einer dunklen Wolkenbank, die aus nordöstlicher Richtung aufzog, dämmerte es rasch. Sie fragte sich, ob Harry zurückgekommen war. Wenn er überhaupt fort gewesen war; als sie beim Gehen nachdachte, war ihr eingefallen, dass er womöglich längst im Schlafzimmer schnarchte. Dort hatte sie nicht nachgesehen, aber das war natürlich eine Alternative, die so wahrscheinlich war wie jede andere. Der Schritt von aggressivem Vollrausch zu besinnungslosem Schlaf war in der Regel klein.
    Bevor sie jedoch ins Haus ging, nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf dem Weg nach Groß-Burma wahr, und als sie in die entsprechende Richtung blickte, sah sie dort zwei Gestalten zusammenstehen und sich unterhalten. Na ja, sie nahm jedenfalls an, dass sie sich unterhielten, was sollten sie auch sonst tun? Es waren fast hundert Meter bis zu der Stelle, an der sie standen, sie befanden sich direkt neben dem üppigen Kastanienbaum unterhalb von Groß-Burma, und die Laubkrone des Baums hüllte die beiden zusätzlich in Schatten. Sie dachte, dass es sich um irgendwen handeln könnte, gewann aus irgendeinem Grund jedoch den Eindruck, dass einer der beiden Harry war.
    Und wer sollte dann der andere sein, wenn nicht Cousin Göran? Der Großbauer vom großen und vornehmen Hof Burma. Ihr Hurenbock.
    Ihr Gatte und ihr Hurenbock?
    Doch nicht einmal, als sie die Augen verengte und versuchte, den Blick zu schärfen, erlangte sie Gewissheit. Sie war sich nicht einmal sicher, dass es zwei Männer waren. Sie zuckte mit den Schultern, überließ die beiden ihrem Schicksal und ging hinein, um nach Billy zu sehen.
    Sie hatte erwartet, dass er noch auf seinem Bett liegen würde, aber das tat er nicht. Das Zimmer war leer, keine Lampe eingeschaltet. Sie rief ein paarmal seinen Namen, bekam aber keine Antwort.
    Für Harry galt im Übrigen das Gleiche, auch wenn sie sich nicht die Mühe machte, nach ihm zu rufen, aber er lag jedenfalls nicht im Schlafzimmer. Dann hatte er also doch da oben auf der Straße gestanden.
    Außerdem versteckte Billy sich manchmal, vor allem, wenn er traurig war. Er ging nie weit fort, manchmal nur zu einem versteckten Winkel der Scheune oder ein kleines Stück in den Wald hinein. Zu dem großen Findling oder der halb eingestürzten Waldhütte, die Göran vor vielen Jahren für ihn und Erik zusammengenagelt hatte; das musste gewesen sein, bevor sie in die Schule gingen, als sie noch miteinander gespielt hatten. Aber unabhängig davon, wo er Zuflucht suchte, kam Billy doch immer zurückgeschlichen, sobald es richtig dunkel wurde.
    Plötzlich wurde sie von Müdigkeit übermannt und dachte, dass es eben doch ein Abend wie jeder andere auf Klein-Burma war. Ein trostloser Tag, der in einer Reihe trostloser Tage seinem Ende entgegenging. Zwei Fledermäuse schossen über den Hof, und sie musste an ein Buch denken, das sie als Kind gelesen hatte und in dem gerade Fledermäuse eine wichtige Rolle als Kundschafter in der Zukunft, als eine Art Boten aus dem Morgen oder etwas Ähnliches, gespielt hatten. So war das damals, dachte sie, damals, als es noch Scheidewege und Illusionen gab.
    Aber dann fielen ihr wieder die Zinnsoldaten ein, und sie ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, zu Mut und Handlungskraft zurückzufinden. Ist etwas passiert ?
    Passiert gerade etwas ?
    Hinterher – während des Sommers und Herbstes und der folgenden langen Jahre – sollte sie sich viele Male dieser hartnäckigen Gedanken entsinnen und zu verstehen versuchen, wo sie eigentlich hergekommen waren.

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    A ls er die Rechnung bekam, fiel es ihm wieder ein.
    Was

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