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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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trafen. Wenn nicht, konnte er dem Kommissar genauso gut mitteilen, dass es allmählich Zeit wurde, die Ermittlungen einzustellen und zu den Akten zu legen. Wenn sie denn jemals wirklich offiziell aufgenommen worden waren?
    Blieb Frage 5 – ob er in seinen Gesprächen irgendetwas Wesentliches übersehen hatte. Zu Hause in Kymlinge und Umgebung. Mit Lisbeth Mattson in Hallsberg und mit Billy Helgesson in der Blekingegatan.
    Natürlich mochten ihm auch in den Berichten, die er gelesen hatte, Details entgangen sein, das gab er bereitwillig zu, dennoch hatte er das Gefühl, dass die Begegnungen der letzten Tage etwas Neues enthielten.
    Was meine ich damit, überlegte Barbarotti und blickte auf die leuchtend violett blühenden Fliederbüsche auf dem Hof herab. Etwas Neues?
    Unsinn? Oder doch kein Unsinn? Er sank ein wenig tiefer in den Stuhl zurück, schloss der angenehm wärmenden Morgensonne zugewandt die Augen und versuchte sich zu vergegenwärtigen, worüber er eigentlich mit Billy und seiner Stiefmutter gesprochen hatte. Umgekehrt und der Reihe nach. Gab es in dem, was gesagt worden war, irgendetwas von Bedeutung? War ihm etwas aufgefallen oder fast aufgefallen, was für einen Spaltbreit eine Tür öffnen konnte?
    Er spürte, dass er auf einmal Gefahr lief einzunicken, noch ehe er auch nur in die Nähe einer derartigen mentalen Tür gelangt war, aber an diesem Punkt, in diesem umnebelten Grenzland zwischen Wachen und Schlafen, tauchte doch noch etwas auf, was Billy Helgesson gesagt hatte, und Barbarotti hatte es unterlassen – um ein Haar unterlassen –, seinen Worten die gebührende Bedeutung zuzuschreiben.
    Etwas über seine Mutter in Nordschweden?
    Etwas darüber, dass …
    … dass sie da oben Bekannte hatte?
    Hatte er das nicht gesagt?
    Aber nach diesem Bruchteil einer Erkenntnis übermannte ihn der warme Schlaf, und er wurde in dem gemütlichen Liegestuhl erst wieder wach, als seine Tochter ihm eine Hand auf die Schulter legte und sich erkundigte, ob er noch eine Tasse Kaffee haben wolle.

31
    I nger Berglund war zwar eine Cousine zweiten Grades von Billy Helgesson, aber die beiden waren sich nicht sonderlich ähnlich. Kein bisschen, um genau zu sein; sie war Anfang dreißig, dunkelhaarig, schlank und durchtrainiert, und vor allem wesentlich gesprächiger als ihr gehemmter Verwandter.
    Sie nahmen ihre Kaffeetassen aus der Speisekammer – wo es vor lauter Menschen und Klirren und Kinderwagen etwas zu lebhaft war, um wirklich ein Gespräch führen zu können – mit hinaus und setzten sich stattdessen auf eine Bank mit Aussicht auf eines von Stockholms zahlreichen Gewässern. Er wusste nicht, welches es war, aber musste es sich nicht um irgendeine Mälarbucht handeln?
    »Nach Ihrem Anruf habe ich ziemlich lange nachgedacht«, ergriff sie unaufgefordert das Wort. »Eigentlich ist es seltsam, dass ich bis heute nie mit einem Polizisten darüber gesprochen habe.«
    »Wie alt waren Sie, als es passierte?«, fragte Barbarotti.
    »Neun«, antwortete sie. »Das ist jetzt dreiundzwanzig Jahre her. Obwohl es sicher ganz natürlich war, dass man mich damals nicht befragt hat. Die Sache war ja nicht sonderlich kompliziert … nehme ich an.«
    In diesen letzten drei Worten lag eine ganze Welt verborgen, und Barbarotti spürte zum ersten Mal, seitdem diese alten Geschichten auf seinem Schreibtisch gelandet waren, dass in seinem Inneren eine Saite angeschlagen wurde. Dieser schwache Ton erklang, der verlauten ließ, dass sich etwas anbahnte. Dass es gute Gründe dafür gab, jetzt gut zuzuhören.
    Aber vielleicht war es auch nur Einbildung, es gab auch falsche Töne.
    »Sprechen Sie weiter«, bat er.
    Sie zögerte einige Sekunden, zog dann eine Zigarette aus einer Schachtel und zündete sie an. Da sie so rundum sportlich wirkte, wunderte ihn das.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Ich rauche nur zwei Mal im Jahr. Silvester, und wenn etwas Besonderes ist.«
    »Ich verstehe«, meinte Barbarotti. Offensichtlich würde das, was sie zu erzählen hatte, von selbst kommen, ohne Hilfe führender oder irreführender Fragen.
    »Also schön, seit Ihrem Anruf habe ich nachgedacht«, wiederholte sie. »Und ich habe beschlossen, dass ich Ihnen davon erzählen möchte. Es hat vielleicht nichts zu sagen, und ich weiß auch nicht, hinter was sie eigentlich her sind, aber ich weiß auch nicht, warum ich es nicht tun sollte.«
    Sie machte eine Pause. Er nickte vorsichtig bestätigend.
    »Wir wuchsen auf Groß-Burma zu dritt auf«, berichtete

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