Am Abgrund der Zeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition)
irdisches Produkt, das seit mehr als einem halben Jahrhundert auf einer ewigen Reise war und jetzt nutzlos durch Zeit und Raum schwebte. Theoretisch könnte sie eine Million Jahre unterwegs sein, überlegte Stafford, bis zu dem Zeitpunkt, wo die Menschheit längst ausgestorben war.
Die Kurs-Auswertung blinkte auf dem Monitor.
»Donnerwetter«, sagte der Commander beeindruckt. »Das alte Mädchen ist tatsächlich eine vor langer Zeit gestartete Mariner-Sonde. Ihre Beschleunigung ist ebenfalls enorm, obwohl sie keinen Antrieb hat. Sie wird von dem Black Hole im Cygnus X-1 angezogen, so unwahrscheinlich sich das auch anhören mag.«
»Auf diese gewaltige Entfernung?«, staunte Beauregard.
»Ja, die Auswertung ergibt das einwandfrei. Auch wir werden bereits vom Black Hole angezogen, wenn die Analyse stimmt. Daran gibt es allerdings nicht den geringsten Zweifel.«
Noch ein paar Mal sahen sie sich die gestochen scharfen Bilder an, die der Computer abgespeichert und archiviert hatte. Es war eine Abwechslung, die höchst willkommen war und sie aus dem alltäglichen Trott riss. Aber es hätte auch anders ausgehen können, dachte jeder mit einem leisen Schauer.
Hather Torlan überraschte sie ein paar Stunden später mit frischem Obst, Tomaten, Paprika und Eiern aus der Biosphäre. Solange sie nur zu viert waren, hatte er den Küchendienst an Bord übernommen, den sonst immer eine der Frauen versah. Doch die ruhten jetzt beide in ihren Eissärgen und dämmerten einer ungewissen Zukunft entgegen.
Bald kehrte die Langeweile wieder ein. Der Tag erschöpfte sich mit Kontrollen und Überprüfungen. Aber die vielen Automaten und der Bordcomputer hatten alles im Griff. Der Großrechner kontrollierte die anderen Computer, und die wiederum überprüften sich gegenseitig, bis so gut wie jeder Fehler ausgeschlossen war.
Auch die Stimmung wurde jetzt immer gereizter. Zuerst legte sich Dr. Bonelli mit Frank Beauregard an, dann gerieten sich Hather Torlan und der Commander wegen einer Bagatelle in die Haare.
So ging es weiter, bis die Situation langsam aber sicher immer unerträglicher zu werden begann.
»Es ist das Cygnus-Auge«, behauptete Hather Torlan nach einem weiteren Streit, der zu eskalieren drohte. »Es ist tückisch, unheilvoll und übt einen bösen Einfluss aus. Die Strahlung lässt …«
»Reden Sie keinen Quatsch«, fuhr Stafford erbost dazwischen. »Ich verbiete Ihnen, solchen Unsinn zu verbreiten, Torlan. Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre Biosphäre und nicht um angeblich unheilvolle Sonnen, von denen Sie nichts verstehen.«
»Das ist kein Quatsch«, widersprach Torlan. »Sehen Sie sich doch einmal das Licht an. Es ist das Auge eines Dämons und sendet tödliche Röntgenstrahlen aus.«
»Sie armer Irrer«, fauchte Stafford. »Um weiteren Ärger zu vermeiden, werden Sie sich augenblicklich in den Tiefschlaf begeben. Dort können Sie sich für zwei Jahre abkühlen. Wenn Sie wieder erwachen, werden Sie anders denken. Ich schreibe Ihre Überspitztheiten der Langeweile und Einsamkeit zu.«
Der hagere Mann schnaufte verächtlich.
»Ich denke nicht daran, mich einfrieren zu lassen. Ohne mich ist die Versorgung des Schiffes nicht mehr gewährleistet.«
»Irrtum«, warf Bonelli ein. »Die Computer arbeiten auch ohne Sie. Kein Problem für die Rechner, alles selbst zu übernehmen.«
»Ich habe Ihnen eben einen Befehl gegeben, Torlan«, sagte Stafford eisig. »Wenn Sie sich der Anordnung widersetzen, dann lasse ich Sie mit Gewalt in die Kryo-Station bringen. Ich lasse nicht zu, dass die Borddisziplin und damit das Unternehmen gefährdet wird.«
Aber Hather Torlan blieb stur. Sein ansonsten wehmütiger Blick wurde dunkel und drohend. Er ballte die Hand zur Faust und lachte abgehackt.
Stafford wusste, dass Torlan zuverlässig und aufrichtig war. Aber die lange Zeit hatte ihn verändert, obwohl der Commander nicht damit gerechnet hatte. Sie hatte alle verändert, seit sie nur noch zu viert waren – vielleicht auch ihn selbst. »Ich erkenne Ihren Befehl nicht an«, sagte Torlan hart.
»Ergreifen Sie ihn!«, befahl Stafford.
Beauregard und Bonelli wollten sich auf ihn stürzen, doch Hather Torlan war schneller. Um sich schlagend entwischte er den beiden Männern und flüchtete über die Gänge zur Biosphäre, wo er durch die Tür entschwand und die Schleuse hinter sich schloss.
»Der Kerl ist total durchgedreht«, schnaufte Bonelli. »Was sollen wir jetzt tun?«
Hinter ihnen tauchte Commander Stafford
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