Am Anfang des Weges
auf. Er passte mir noch immer gut.
Ich ging wieder nach oben und holte meine Ray-Ban-Wayfarers-Sonnenbrille, außerdem eine Rolle Toilettenpapier, sechs Paar Socken, zwei Cargohosen, einen Parka, eine Feldflasche und fünf Sets Unterwäsche.
Ich zog meine Jogginghose an, dicke Wollsocken, ein T-Shirt und ein Seattle-Super-Sonics-Sweatshirt. Zum Glück hatte ich gute Wanderstiefel. Sie waren leicht, aber robust und bereits eingelaufen. Ich setzte mich hin und schnürte sie zu. Dann schulterte ich den Rucksack. Er war nicht allzu schwer, vielleicht zehn Kilo.
Die Tür fiel automatisch hinter mir ins Schloss, und ohne einen einzigen Schlüssel in der Tasche stand ich auf der Veranda vor dem Haus. Ohne mich noch einmal umzusehen, ging ich los.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Ich habe mich für ein Ziel entschieden. Die Route ist nebensächlich. Ich habe mich auf meinen Weg gemacht.
Alan Christoffersens Tagebuch
Chyan li jr sying, shr yu dzu sya. Auch ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem ersten Schritt . Das habe ich einmal in einer chinesischen Glückskeks-Prophezeiung gelesen. Streng genommen war es eigentlich gar keine Prophezeiung, sondern eher ein Sprichwort – und vermutlich nicht einmal ein chinesisches. Wahrscheinlich war der Urheber irgendein amerikanischer Werbetexter, der sich Sprüche für eine Keksfirma ausdachte. Ich nehme an, all die Jahre in der Werbung hatten mich zu einem Zyniker gemacht.
Egal, welchen Ursprungs es war, das Sprichwort traf auf mich zu. Ich stellte fest, dass ein solch weiter Weg wie der nach Key West ein bisschen zu viel war, um ihn geistig und emotional wirklich zu erfassen. Mein Endziel hätte genauso gut China sein können. Ich brauchte ein Zwischenziel, einen Ort, der weit genug entfernt war, um meinen Ehrgeiz zu wecken, aber nah genug, um meinen Willen nicht zu brechen. Dieser Ort lag jenseits der Grenze des Bundesstaats. Ich entschied mich für Spokane.
Mit dem Auto braucht man auf der I-90 von Seattle nach Spokane ungefähr vier Stunden. Aber die 90 ist eine Autobahn. Die Highway-Polizei würde mit Sicherheit ein paar Einwände gegen diese Route haben. Die bevorzugte (und damit meine ich »legale«) Route für Radfahrer und Wanderer ist der Highway 2, eine malerische zweispurige Straße, die durch das Kaskadengebirge zum Stevens-Pass hochführt, einem der Skiorte Washingtons. Der Pass würde um diese Jahreszeit schneebedeckt sein, aber ich verdrängte den Gedanken. Damit würde ich mich befassen, wenn ich dort war.
Ich folgte der 132nd Avenue in nördlicher Richtung bis zur Redmond Road, dann ging ich etwa sechs Meilen in nordöstlicher Richtung bis nach Redmond. Gegen zwei Uhr nachmittags erreichte ich das Stadtzentrum, wo dichter Verkehr herrschte.
Ich fiel ein bisschen auf, wie ich so mit meinem Rucksack und meinem Schlafsack auf dem Rücken durch die Innenstadt von Redmond ging, und zog viele neugierige Blicke auf mich, aber das war mir egal. Das Erste, was man opfert, wenn man ganz unten angekommen ist, ist die Eitelkeit.
Vom Herzen Redmonds aus ging ich auf der Avondale Road weiter nach Norden. Die Strecke verlief flach, und die Straße war nass und rutschig von den kupferfarbenen Nadeln der Kiefern, die den Weg säumten. Während ich mich immer weiter von der Großstadt entfernte, stellte ich fest, dass sich meine Stimmung bereits aufzuhellen begann. Die Geräusche von Vögeln und Wasser, der rhythmische Klang meiner Schritte und die kalte, frische Luft trieben meinem Verstand den Wahnsinn des vergangenen Abends aus. Ich war schon immer der Ansicht, dass ein ausgedehnter Waldspaziergang genauso hilfreich ist wie eine Psychotherapie. Die Natur ist – und war schon immer – die größte Heilerin.
Als ich Woodinville erreichte – also etwa sechzehn Meilen zurückgelegt hatte –, spürte ich die Erschöpfung bereits in den Beinen, was ein schlechtes Zeichen war. Ich war ein begeisterter Wanderer und Läufer, aber in den letzten vier Wochen hatte ich auf alles verzichtet, um bei McKale sein zu können, auch auf den Sport. Kein Wunder, dass ich Muskeln abgebaut und Gewicht zugelegt hatte – zumindest so viel, dass sich meine Hose um die Taille herum bereits spannte.
Am Stadtrand gab es einen Safeway-Supermarkt, und ich legte einen Zwischenstopp ein, um ein paar Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Ich kaufte zwei Ein-Liter-Flaschen Wasser, eine Halbliterflasche Orangensaft, eine Packung Erdnussbutter-Schokoriegel, zwei Packungen
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