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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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gelangen. Der Hügel war glitschig, und während des Abstiegs auf der anderen Seite rutschte ich mehrmals aus, sodass an meinem Gesäß und meinem Rucksack bald Schlamm und Farnblätter klebten. Ich stand auf, wischte mir den Hosenboden ab, säuberte meinen Rucksack und setzte meinen Weg dann fort.
    Ich lief etwa zwei Stunden, bis ich die Stadt Monroe erreichte. Ich hatte die Kassiererin in dem Safeway in Woodinville nach Monroe gefragt, und sie hatte mir erklärt, dass die Stadt nicht der Rede wert sei. Ihre Einschätzung war unzutreffend. Monroe war größer, als ich erwartet hatte.
    An dem Willkommensschild blieb ich stehen und streckte mich. Jede Stadt hat ein solches Schild, es ist sozusagen die Herzlich-willkommen-Türmatte. Während auf den meisten Schildern nicht mehr als der Ortsname steht, nutzen die etwas ehrgeizigeren Städte diese Schilder zu Werbezwecken. Auf keinem von ihnen steht, was wirklich gemeint ist: OKAY, JETZT BIST DU ALSO HIER. GIB EIN BISSCHEN GELD AUS, UND DANN FAHR WIEDER NACH HAUSE.
    Während ich die Main Street von Monroe hinunterging, merkte ich, dass ich angestarrt wurde – durch die Schaufenster von Geschäften, von Parkplätzen aus und aus vorbeifahrenden Autos heraus. Das war ein Phänomen, an das ich mich nie wirklich gewöhnen würde, mit dem ich aber mit der Zeit zu rechnen lernte. In einer Kleinstadt wird ein Fremder, der zu Fuß unterwegs ist, mit mildem Argwohn oder mit Neugier beäugt, im Allgemeinen mit beidem. Zweifellos würde in mindestens einer der Städte, die auf meinem Weg lagen, eines Tages in der Tageszeitung ein Artikel über mein Auftauchen erscheinen, der sich ungefähr so lesen würde:
    Unbekannter Mann mit Hut geht durch die Stadt
    Am Dienstagnachmittag gegen fünf Uhr ging ein unbekannter Mann mit Hut durch die Stadt. Es gibt keinen Hinweis darauf, was er hier wollte, und er war ebenso schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. Einige der Bürger von Beauville sind darüber fast ein wenig traurig. Mrs. Wally Earp erklärte dem Bugle gegenüber: »Ich hoffe, er kommt wieder und bleibt eine Weile. Ich denke, er würde feststellen, dass wir richtig gastfreundlich sein können. Er hat nicht einmal meinen Apfelauflauf gekostet.« Andere Bürger, wie zum Beispiel Jack Calhoun aus der 76 Main Street, waren froh, ihn wieder verschwinden zu sehen: »Ein Mann, der so einen Hut trägt, kann nichts Gutes im Schilde führen. Er war vermutlich ein Sozialist.« Millicent Turnpikes, Besitzerin von Millie’s Modeboutique in der Nutmeg Street, meinte: »Ich weiß nicht, was er vorhatte, aber der Hut war gut.«
    Der unbekannte Mann und sein Hut standen für einen Kommentar nicht zur Verfügung.
    Eine halbe Meile hinter dem Ortseingang von Monroe kam ich an einem einstöckigen stuckverzierten Gebäude vorbei. Vor dem Haus stand ein Schild, auf dem ein sitzender Raubdinosaurier zu sehen war. (Ich bin mir nicht sicher, was der Dinosaurier mit Zahnspangen zu tun hatte, auch wenn dieses Exemplar eine hübsche, lückenlose Gebissreihe mit Reißzähnen aufzuweisen hatte.)
    DR. BILL, KIEFERORTHOPÄDE
    Gute Werbung , dachte ich. Jeder Junge in der Stadt wird eine Zahnspange haben wollen .
    Die Kohlehydrate meines Pop-Tart-Frühstücks hatte ich längst verbraucht, aber mein Bedürfnis, allein zu sein, war im Moment noch größer als mein Hunger. Die Restaurants, an denen ich vorbeikam, sahen alle überfüllt aus, daher ging ich einfach weiter. Ich kam an einer ganzen Reihe von Espressobuden vorbei, die in Washington ein häufig vorkommendes Phänomen sind und äußerst gern frequentiert werden. Ich möchte wetten, dass es in Seattle mehr Coffee-Shops pro Einwohner gibt als in jeder anderen Stadt der Welt. Kein Wunder, dass Seattle der Geburtsort von Starbucks ist.
    Am Ortsausgang befand sich ein Drive-in-Schnellrestaurant, ein Jack in the Box. Vermutlich war es genauso voll wie all die anderen Diners, an denen ich bereits vorbeigelaufen war, aber es war meine letzte Chance auf eine warme Mahlzeit, und mein Magen knurrte mich mittlerweile lautstark an, daher ging ich hinein.
    Beim Eintreten bemerkte ich die verstohlenen, besorgten Blicke der Essensgäste, die bereits an den Tischen saßen. Ich trug keinen Bart, daher nahm ich an, dass irgendetwas an dem Rucksack sie so nervös machte. Mein Kopf ließ sich diesen Zungenbrecher einfallen:
    Rastloser Reisender auf der Rast lässt
die Rastenden ausrasten.
    Es war nur der Werbetyp in mir, der sich einen Spaß machte – oder

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