Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
Vom Netzwerk:
dorthin gehen. Ins Kino. In ein Restaurant. Ich kann nach New York City oder Paris oder Moskau gehen. Das alles kostet mich nicht einen Dime. Es ist genau dasselbe, nur leichter. Aber noch besser ist es, Bücher zu lesen.«
    »Du magst Bücher?«, fragte ich.
    »Ja. Aber die Buchhandlungen mag ich nicht mehr. Sie mögen mich dort nicht. Sie haben mich dort nie zusammengeschlagen, aber es gibt Essen in den Buchhandlungen und Kaffee, außer in den Crown-Buchhandlungen, aber von denen gibt’s ja kaum noch welche. Man sollte Kaffee und Essen nicht in der Nähe von Büchern anbieten. Das ist nicht richtig. Ich mag King.«
    »Stephen King?«
    Er beugte sich vor. »Kennst du Mr. King?«
    »Ich kenne seine Bücher.«
    »Ich mag Dumas und Mitchum. Mit Schulbüchern kenne ich mich nicht aus.« Auf einmal wurde seine Miene ernst. »In der Schule hatte der Lehrer das Lehrerbuch. Da standen alle Antworten drin. Warum geben sie den Schülern nicht einfach das Lehrerbuch? Dann hätten sie alle Antworten. Gehen sie dafür nicht zur Schule?
    Weißt du, egal, wohin ich gehe, ich halte immer … halte immer nach dem Lehrerbuch Ausschau. Wenn ich es nur finden könnte, dann könnte es vielleicht …« Er musterte mich. Ich konnte spüren, dass er zu ergründen versuchte, ob er mir vertrauen konnte. Er beugte sich vor und sagte etwas leiser: »Einmal habe ich es gefunden, weißt du. Ich habe es gefunden und angefangen, es zu lesen, aber dann bin ich umgekippt, bevor ich alle Antworten bekommen konnte. Ich lag ohnmächtig auf dem Boden. Es war zu viel Wissen. Wie in der Bibel: Wenn es dort Dinge gibt, die die Leute nicht wissen dürfen, dann versiegelt Gott sie in Büchern. Und jetzt kann ich das Lehrerbuch einfach nicht mehr finden. Wenn ich es nur finden könnte … Da stehen alle Antworten drin.«
    »Da stehen nicht alle Antworten drin«, sagte ich. »Nirgendwo stehen alle Antworten drin.«
    Er verzog das Gesicht. »Im Lehrerbuch stehen die Antworten.«
    »Es gibt kein Lehrerbuch«, sagte ich wütend.
    Er sah mich neugierig an, dann sagte er: »Du weißt nicht, was in einem Augenblick passieren kann. Zeit ist gar nichts. Die ganze Geschichte der Menschheit könnte blitzschnell vorbei sein. Wir wissen es nicht. Ich denke, manchmal lese ich in einem Augenblick jedes Buch auf der Welt. Jedes Buch auf der Welt bis auf das Lehrerbuch.«
    »Es gibt kein Lehrerbuch«, rief ich. »Es gibt keine Antworten. Entsetzliche Dinge geschehen ohne einen verdammten Grund. Sieh dir doch nur deine Hände an.«
    Er sah mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte. Andere Gäste des Lokals taten das ebenfalls. Einen Augenblick später sagte er: »Ich lese keine Bücher mehr, ich tue nur noch so als ob. Und ich beschütze sie. Bücher waren früher so schön, sie hatten diesen … du weißt schon, Pappumschlag. Man muss sie beschützen, vor allem vor dem Kaffee und diesem ganzen Essen, das es jetzt in den Buchhandlungen gibt.«
    Ich aß mein Sandwich auf, leerte das letzte Saftpäckchen und stand auf. Ich wollte nicht länger mit ihm reden. Ich nahm einen Fünfdollarschein aus meiner Brieftasche und warf ihn neben seinen Pfannkuchen auf den Tisch. »Das ist fürs Mittagessen.«
    »Danke.« Er wandte sich wieder seinem Frühstück zu.
    Ich schulterte meinen Rucksack und machte mich wieder auf den Weg. Etwa einen Block hinter dem Jack in the Box war die Abzweigung zum Highway 2. Obwohl ich schon fast 25 Meilen zurückgelegt hatte, hatte ich das Gefühl, erst jetzt den ersten Schritt meiner Reise zu tun.
    Das erste Gebäude, an dem ich vorbeikam, war der Reptilienzoo. Von außen sah es wie ein heruntergekommenes Cracker-Barrel-Restaurant aus. Ich stellte mir vor, dass es darin eine Menge Glasterrarien gab, voller Klapperschlangen mit trüben Augen und Gila-Krustenechsen mit giftigen Mäulern. Ich fragte mich, warum wir so fasziniert von Dingen sind, die uns töten können. An jedem anderen Tag hätte ich vermutlich einen Zwischenstopp eingelegt und die sieben Dollar Eintritt bezahlt, weil ich solche Dinge mag. Schon immer gemocht habe.
    Ich ging weiter. Keinen Block hinter dem Museum stand ein alter Schulbus, der zu einem Restaurant umgebaut worden war. Es hieß Old School BBQ. McKale liebte Barbecue. Das hätte ihr gefallen , dachte ich.
    Etwa fünf Meilen hinter Monroe kam ich an einem kleinen Gebäude vorbei, das irgendein Gläubiger am Straßenrand errichtet hatte. Auf einem verwitterten, handbemalten Schild davor stand in einer schnörkeligen,

Weitere Kostenlose Bücher