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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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Lüge und ihrer Verzweiflung. Schließlich sagte sie: »Ich habe die … Dinger verloren.«
    Ich verstand nicht. »Welche Dinger?«
    »Die Metalldinger. Die Bolzen.«
    Ich betrachtete wieder das Rad, dann begriff ich, wovon sie sprach. Es gab keine Radmuttern. »Was ist mit ihnen passiert?«
    »Ich habe sie abmontiert, aber …«
    Sie hatte sie abmontiert.
    »… dann sind sie den Hügel hinuntergerollt.«
    Am Straßenrand fiel das Gelände über hundert Meter steil ab. Die Muttern waren futsch.
    »Wie ist das denn passiert?«
    »Ich bin einfach ungeschickt.«
    Keine Radmuttern. Vermutlich kein Handyempfang. Vermutlich wartete sie nur darauf, dass ein Highway-Polizist vorbeikam, was hier allerdings sehr lange dauern konnte. »Soll ich den Reifen für Sie wechseln?«
    Sie sah mich zweifelnd an. »Aber es gibt nichts, womit Sie ihn festschrauben könnten.«
    »Schrauben können wir uns borgen«, sagte ich.
    Sie war noch immer unsicher, aber sie lenkte ein. »Ja, vermutlich.«
    »Haben Sie die Handbremse angezogen?«
    »Ja.«
    »… und den Hebel auf Parkstellung gestellt?«
    »Ja.«
    Ich stellte meinen Rucksack ab und nahm den Schraubenschlüssel. Dann löste ich damit je eine Radmutter von den anderen drei Rädern. Ich montierte den Ersatzreifen mithilfe dieser drei Muttern und zog sie fest. Damit würde die Frau so weit kommen, wie sie musste. Ich ließ das Auto wieder von dem Wagenheber herunter, legte den platten Reifen, den Schraubenschlüssel und den Wagenheber in den Kofferraum und machte ihn zu. Ich ging zurück zu ihrem Fenster.
    »So können Sie erst einmal weiterfahren. Ich habe je eine Radmutter von den anderen Rädern abgeschraubt. Fahren Sie den Wagen einfach in eine Werkstatt, wenn Sie wieder zu Hause sind.«
    Zum ersten Mal sah ich sie lächeln. »Vielen Dank.«
    »Gern geschehen.« Ich nahm meinen Rucksack und schulterte ihn wieder. »Schönen Tag noch.«
    »Warten Sie, darf ich Ihnen etwas dafür geben?«
    »Nein. Machen Sie’s gut.« Ich rückte meinen Hut zurecht und setzte meinen Weg fort. Die Frau wartete einen entgegenkommenden Wagen ab. Kurz darauf hörte ich, wie der Kies unter ihren Reifen aufspritzte, als sie wieder auf die Straße bog. Sie fuhr langsam an mir vorbei und hielt dann fünfzig Meter weiter am Straßenrand an einer kleinen Abzweigung. Als ich ihren Wagen erreichte, hatte sie das Fenster heruntergekurbelt.
    »Kann ich Sie wenigstens mitnehmen? Auf dieser Straße kommt meilenweit kein Haus mehr. Und es regnet. Sie werden völlig durchnässt werden.«
    »Ich bin es gewohnt, nass zu werden«, sagte ich. »Danke, aber es ist schon gut so. Ich habe Ihnen gern geholfen.« Ich klang so großmütig wie Superman ( Ich habe nur meinen Job gemacht, Ma’am ), worüber ich mich, ehrlich gesagt, irgendwie ärgerte. Einstein hat einmal gesagt: »Ich ziehe das stille Laster der aufdringlichen Tugend vor.« Ich bin da ganz seiner Meinung.
    Es schien der Frau unangenehm zu sein, sich nicht revanchieren zu können. Sie griff in ihre Handtasche, zückte eine Visitenkarte und reichte sie mir. »Hier, falls Sie irgendetwas brauchen, rufen Sie mich einfach an. Das ist meine Handynummer.«
    Ich nahm die Karte und steckte sie in meine vordere Hosentasche, ohne einen Blick darauf zu werfen. »Danke.«
    »Ich habe zu danken. Schönen Tag noch.«
    »Ihnen auch.«
    Ich wartete, bis sie in einem Schauer aus Straßenwasser abgefahren war, dann setzte ich meinen Weg fort. Ich sah ihrem Wagen nach, bis er um eine Kurve verschwunden war. Ich fragte mich, wie lange sie schon dort gestanden hatte und was wohl passiert wäre, wenn ich nicht vorbeigekommen wäre.
    Der Regen hatte aufgehört, und die Sonne stand hoch am Himmel, als ich das kleine Städtchen Waterville erreichte. Der Highway verlief mitten durch die Stadt, und der Coffee-Shop des Orts hieß treffenderweise Highway 2 Brew . Ich ging hinein und bestellte einen großen Kaffee, einen Cranberry-Orangen-Muffin und einen Biscotto mit Schokoladenguss. Ich setzte mich auf einen betonierten Platz vor dem Coffee-Shop, um meine Karte zu studieren.
    Offenbar würde mein Weg in den nächsten Tagen durch eine öde Wildnis führen – die Art Gegend, durch die man im Auto am liebsten bei voll aufgedrehter Stereoanlage fährt. Ich wollte sie rasch hinter mich bringen.
    Die Häuser von Waterville säumten den Highway, und zum ersten Mal seit Bellevue ging ich wieder durch einen Vorort, wenn auch nur durch einen sehr kleinen.
    Waterville schien mir ein seltsamer Name

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