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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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und riss sie zurück.
    So wütend sie war, konnte Lizzie ihr doch noch immer nicht die Wahrheit sagen. Sie wollte sich nicht an ihre eigene Dummheit erinnern. Oder ihre Schande. Aber irgendetwas musste sie Roselle sagen. „Ich werde dir eine Sache über deinen Vater erzählen, aber das ist für den Moment alles. Er hat mich zuerst mit schönen Worten eingefangen, so wie Massa Daniel es bei dir macht. Er hat mir erzählt, ich sei hübsch. Aber siehst du deinen leiblichen Vater hier irgendwo? Ist er bei mir geblieben und hat mich lieb gehabt oder dich, seine Tochter, so wie Otis es tut?“
    Roselle blickte auf ihre ausgetretenen Schuhe hinunter, während die Tränen weiter strömten.
    „Nein! Otis war für dich ein Papa in allem, was wichtig ist. Und für mich ist er ein guter Ehemann. Such dir einen gottesfürchtigen Mann wie Otis. Jemanden, der bei dir bleibt und dir hilft, seine Babys großzuziehen, nachdem er sie in deinen Bauch getan hat. Glaubst du, Massa Daniel wird jemals ein schwarzes Mädchen heiraten, das jeden Morgen seine Bettpfanne ausleert?“
    Ein Schluchzer erschütterte Roselle. „Ich wollte doch nur tanzen“, sagte sie leise.
    „Ich weiß, Liebes. Ich weiß. Aber es gibt böse Männer in der Welt, die dich dabei ausnutzen würden.“ Lizzie zog sie wieder in ihre Arme. Sie verstand, wie Roselle sich fühlte. Damals war sie selbst auch unschuldig und vertrauensselig gewesen, aber es hatte ein schlimmes Ende genommen. Würde eine Tragödie nötig sein, bevor Roselle aufhörte, bösen Menschen zu vertrauen? Lizzie ließ ihre Tochter los und griff wieder nach dem Tablett, um es in die Küche zu bringen. „Komm, wir gehen schlafen. Das restliche Durcheinander kann bis morgen warten.“
    So müde Lizzie auch war, konnte sie doch nicht einschlafen. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander wie die Leute auf der Tanzfläche, während sie krampfhaft überlegte, was sie wegen Roselle unternehmen sollte. Sie traute Massa Daniel nicht. Wenn er ihrer Tochter jemals wehtun würde, würde sie ihn umbringen. Das würde sie. So wie jemand Roselles Vater hätte umbringen sollen.
    Bevor sie es sich versah, krähte der Hahn und Lizzie musste aufstehen und für alle Frühstück machen. Dabei versuchte sie, die Lebensmittel zu strecken, damit sie auch Miz Eugenias Besuch aus Richmond etwas zu essen servieren konnte. Zum Glück hatte sie jetzt Clara, die ihr half, und so konnte sie Roselle schlafen lassen. Lizzie wollte nicht mit ihr reden. Und sie wollte auf keinen Fall, dass Roselle den Weißen im Speisezimmer das Essen brachte.
    Am Sonntagnachmittag, als die Arbeit getan war, machten sich alle fertig, um zu ihrer ersten Gebetsversammlung nach Fairmont zu gehen. Lizzie war von ihrer schlaflosen Nacht so müde, dass sie lieber zu Hause geblieben wäre und ein Nickerchen gemacht hätte, aber sie konnte Otis’ Gefühle nicht verletzen. Er und Saul und ein paar andere hatten mit Mr Chandler gesprochen und der Yankee hatte ihnen erlaubt, sich auf einem grasbewachsenen Hang neben den Bahnschienen zu treffen. Er hatte sogar gesagt, dass er ihnen aus der Bibel vorlesen würde. Lizzie und Clara packten ein einfaches Mittagessen für ihre Familien ein, das sie anschließend essen wollten, und dann machten sich alle auf den Weg in die Stadt, entlang der Straße, auch wenn der Weg durch die Felder und an den Schienen entlang kürzer war. Der alte Willy wollte mitkommen, konnte aber nicht so weit laufen, deshalb hatte Robert angeboten, ihn mit der Schubkarre zu schieben.
    Aber Lizzies Blick war auf Roselle gerichtet, die vor ihnen ging. Die kleineren Kinder scharten sich um sie, als wäre sie eine Glucke mit ihren Küken, während sie Lehrerin mit ihnen spielte und sie das Abc aufsagen ließ. Eine Minute war Roselle ein Kind, das die Straße hi-nunterhüpfte wie die anderen Kleinen, und dann wieder wollte sie ein hübsches Kleid tragen und mit Massa Daniel tanzen. Lizzie dachte daran, was hätte geschehen können, wenn Miz Eugenia die beiden nicht gestört hätte, und sie spürte, wie die Angst zurückkehrte. Sie streckte die Hand aus und zog Otis am Arm.
    „Otis? Ich finde, Roselle sollte von jetzt an dir helfen anstatt mir.“
    „Du meinst auf dem Feld? Warum willst du das denn, Lizzie?“
    „Weil Miz Eugenia versucht, sie zu einer Zofe für Missy Mary zu machen, und dafür ist Roselle zu gut. Ich will, dass sie einmal ein besseres Leben hat, als einem verwöhnten Mädchen die Haare zu kämmen oder das Korsett

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