Am Anfang eines neuen Tages
schüttelte den Kopf. „Das solltest du dir gar nicht erst vorstellen, Roselle. Und zu wünschen brauchst du es dir auch nicht. Schlag dir die Sache aus dem Kopf.“
„Warum? Ich könnte irgendwann auch zu einem Tanz gehen. Die Leute sagen, ich sei hübsch, weißt du.“
Lizzies Magen zog sich zusammen. „Wer? Wer hat das gesagt?“
„Meine Freundinnen, Lula und Corabelle.“
„Bilde dir ja nichts darauf ein. Nichts ist schlimmer als ein hübsches Mädchen, das so tut, als wäre es besser als alle anderen, nur weil der liebe Gott es hübsch gemacht hat.“
Selbst im Dunkeln sah Lizzie Roselle erröten und ihr schüchternes Lächeln. „Und Massa Daniel hat mir auch gesagt, dass ich hübsch bin.“
Lizzie spürte eine Eiseskälte in ihren Gliedern. „Wann hat er das gesagt?“
„Heute Abend. Beim Tanz.“
Lizzie hätte beinahe das Tablett mit den Gläsern fallen lassen. Oh Herr, bitte nicht … Sie musste sich setzen. Wankend ging sie zu dem nächsten Stuhl, aber Roselle schien nichts zu bemerken, während sie weiterplapperte.
„Er hat gesagt, ich sei genauso hübsch wie die weißen Mädchen, und er wollte mit mir tanzen. Ich habe ihm gesagt, dass ich gar nicht tanzen kann, aber er sagte, das mache nichts, er könne es mir beibringen. Also ist er mit mir nach draußen auf die Terrasse gegangen, damit wir üben können.“
Nein, Herr … nein …
„Dann ist Miz Eugenia gekommen und hat ihn mitgenommen und alles ruiniert.“
Zum ersten Mal in ihrem Leben war Lizzie Miz Eugenia dankbar. Lizzie konnte kaum atmen und die Worte blieben ihr im Hals stecken. Es fühlte sich an, als säße jemand auf ihrer Brust und presste alle Luft aus ihr heraus.
„Und erinnerst du dich an den Abend, an dem ich zu meinen Enten gegangen bin“, fuhr Roselle fort, „und vor der Küche Massa Daniel getroffen habe? Er hat mich nach meinem Namen gefragt und gesagt: ‚Du bist aber eine Hübsche.‘ Und heute wusste er meinen Namen noch, Mama. Er sagt, Roselle sei ein sehr hübscher Name für ein sehr hübsches Mädchen.“
Lizzie stellte das Tablett so schwungvoll auf den Tisch neben sich, dass die Gläser klirrten, und sprang von ihrem Stuhl auf. Wut überkam sie. Zum zweiten Mal in ihrem Leben verstand sie, wie jemand zornig genug werden konnte, um einen anderen Menschen zu töten. Sie packte Roselle an den Schultern und fing an, sie zu schütteln, als könnte sie Vernunft in sie hineinschütteln. „Nein! Nein! Nein! Du musst ihm aus dem Weg gehen, hörst du? Halt dich von ihm fern!“
„Mama … nicht!“ In Roselles Augen lagen Verwirrung und Angst.
Lizzie hielt inne. Was war in sie gefahren, dass sie ihre Tochter so schüttelte? Gerade noch war Roselle so glücklich gewesen. Lizzie zog sie in ihre Arme und drückte sie fest an sich. „Es tut mir leid, Schätzchen. Es tut mir leid. Nicht weinen … Aber du musst einen Bogen um Massa Daniel machen. Geh nie wieder in seine Nähe.“
Roselle wand sich aus Lizzies Umarmung und funkelte sie böse an. „Wir sind jetzt frei, oder etwa nicht? Wir sind keine Sklaven, die nicht mit ihrem Massa reden dürfen – und ich darf auch mit ihm tanzen, wenn er mich fragt.“
„Hör mir zu! Du darfst nicht mit ihm tanzen. Du darfst nichts tun, außer ihm sein Essen zu bringen oder seine Kleider zu waschen. Und glaub kein Wort von dem, was er sagt.“
Tränen traten in Roselles schöne dunkle Augen und kullerten über ihre Wangen. „Ich will doch nur sehen, wie es ist, so zu tanzen wie Missy Mary und all die anderen Mädchen. Nur einmal, Mama.“
„Du bist nicht wie diese anderen Mädchen. Wenn du tanzen willst, dann such dir jemanden, der so ist wie du, nicht einen weißen Mann. Und vor allem nicht Massa Daniel. Er war einer der Männer, die deinen Papa zusammengeschlagen haben, weißt du das nicht mehr?“
„Das stimmt nicht! Das sagst du nur, weil du ihn nicht magst.“
„Dann frag deinen Papa. Er wird es dir bestätigen. Und du weißt, dass Otis nicht lügt. Er hat Massa Daniel an dem Abend mit den anderen Männern zusammen dabei überrascht, wie sie den alten Willy verprügelt und mit ihren Gewehren geschossen haben.“
„Otis ist nicht mein Papa. Mein echter Papa ist weiß, nicht wahr? Hasst du die weißen Männer deshalb so? Weil mein Vater weiß war?“
„Was fällt dir ein, so mit mir zu reden!“
„Deshalb willst du mir nicht sagen, wer er ist, richtig? Ich soll nicht wissen, dass ich auch weiß bin.“ Sie wandte sich ab, aber Lizzie packte sie am Arm
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