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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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bestand und aus gemauerten Bögen, klafften riesige Löcher. Durch die zackigen Öffnungen blickte der graue Himmel herein!
    Auch vor den drei Eindringlingen befand sich eine Mauer aus dunkelgrünen, fast schwarzen Gewächsen. Die Ranken und Zweige, die ineinander verschlungen und verknotet waren, trugen zahllose Blüten. Jede einzelne Blüte leuchtete schwach phosphoreszierend. So erkannten die Eindringlinge, daß sie sich am Rand eines Irrgartens befanden, einer spiralig gewachsenen Hecke. Golar deutete auf die schwach sichtbaren Fußspuren, die von links kamen und auf die Stelle zuliefen, an der sie den tödlichen Keller verlassen hatten.
    »Die erste Berührung ist die letzte«, sagte er leise. »In der Mitte der Halle führen Stufen in die Gelasse des Mausoleums hinein. Ich habe nur einen Blick hineinwerfen können – aber dort gibt es Gold, Geschmeide und Becher. Mehr sah ich nicht.«
    Helmond starrte die qualmende Fackel an und warf sie dann fluchend über die Schulter.
    »Wir sehen genug«, meinte er entschlossen. »Wir folgen deinen Spuren, Fremder.«
    Abwehrend hob Golar die blutverkrusteten, zerschrammten und schmutzigen Arme.
    »Denkt daran! Die Dornen sind giftig!«
    Sgnore schob Helmond und Golar zur Seite, faltete ihre Schwingen auseinander und schlug mit ihnen. Eine Staubwolke erhob sich. Zugwind kam aus der Tiefe der steinernen Unterwelt und trieb den Schleier auf die Pflanzen zu. Sofort fingen die äußeren Ranken an, sich zu bewegen. Sie tasteten mit langen Dornen, leuchtenden Blüten und hakenartigen Enden blind umher, berührten einander, lösten sich wieder und kratzten über das Gestein. Als Helmond sein Schwert ausstreckte und damit eine Ranke berührte, schnellte sie vorwärts, ringelte sich blitzschnell zusammen und wickelte sich um das scharfe Eisen.
    Aber Helmonds sehniger Arm war schneller.
    Er riß die Hand mit der Waffe ebenso rasch zurück, wie sich die Ranken bewegten. Die Dornen klirrten gegen die Klinge. Knisternd drehten sich die schlangengleichen Teile zurück in die dunkelgrüne Umgebung. Die Blüten schienen mit starrem Blick die Eindringlinge zu beäugen, jede ihrer Bewegung zu beobachten.
    Im gleichen Augenblick schwang sich Sgnore fast senkrecht aufwärts und versuchte, über die Ranken hinwegzuflattern, dicht unter der Decke der gigantischen Gewölbe.
    Die Ranken hinter ihr und unter ihr gerieten schlagartig in rasende Bewegung. Hunderte langer Pflanzenpeitschen schossen auf den dunklen, flatternden Körper zu.
    »Vorsicht, Sgnore!« schrie Helmond.

4.
    Für Ilfa war es, als würde der Wolf der Führer durch ein seltsames Labyrinth voller Wunder sein.
    Die Hand lag am Griff des Schwertes, das wieder in der Scheide am rechten Oberschenkel steckte. Dort, wo sich die Finger krümmten, befand sich der kantige Schädel des riesigen Tieres. Der Wolf hechelte fast lautlos. Sein Körper drückte Kraft und Schnelligkeit aus, und die grüngoldenen Augen schienen verwirrende Geheimnisse zu kennen.
    »Wohin bringst du mich?« fragte Ilfa. Der Wolf heulte nicht, knurrte nicht und lief im Rhythmus der Schritte.
    Zuerst, als Ilfa den Wolf gesehen hatte, waren die Bewegungen seines Raubtierschädels fast ein Befehl gewesen. Ilfa hatte folgen müssen. Für Ilfa war der Wolf kein Freund; seine Augen bewiesen es.
    Sie waren in den Tunnel eingedrungen, und Ilfa hatte es gewagt, das Nackenfell des Tieres zu packen. Der Wolf hatte auffordernd geheult. Er zog Ilfa mit sich irgendwohin jenseits des zweiten Portals, ohne daß wieder durch alle Empfindungen und Gedanken jene Schreckensbilder und der Lärm tobten. Oder war es eine andere Pforte gewesen, ein anderer Weg?
    Vor Ilfa endeten die Gewächse.
    Eine Mauer befand sich hier, zusammengefügt aus kantigen Quadern, deren Fugen unregelmäßig waren. Ein Beben hatte die schweren Steine verschoben und verkantet. Ilfa streckte den linken Arm aus und stützte sich gegen das Gemäuer ab. Die Hand glitt durch die Wand!
    »Nein! Wie durch Luft… oder Wasser«, staunte Ilfa und machte einen zweiten Schritt. Die Knie, der Schwertarm, dann das rechte Bein. Ilfa glitt durch die nur scheinbar feste Mauer und betrat einen anderen Teil dieser geheimnisvollen Ruinen.
    »Ein Garten.«
    Zweifellos unterschied sich dieser Hof, von vier Mauern umgeben, von allen anderen Teilen der Ruinen. Kopfschüttelnd betrachtete Ilfa die neue Umgebung. Es war hier ein wenig heller, und es gab keinen Gestank nach faulenden Blättern und moderndem Holz.
    Seltsame Düfte,

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