Am Anfang war das Ende (German Edition)
den Teichen breitet sich niedriges Dickicht aus.
»Ab jetzt müssen wir vorsichtig sein«, sagt Dinah. »Gabriel, du gehst voraus. Solltest du Anzeichen von irgendwelchen Aktivität sehen, kommst du sofort zurück. Du hältst direkt auf die Sonne zu und markierst jede Kursänderung deutlich sichtbar. Okay?«
»Okay.«
»Viel Glück.«
Gabriel huscht geschwind wie ein Kaninchen den Wall hinunter. Dann sehen wir ihn am goldschimmernden Wasser des ersten Teichs entlanglaufen, bevor er im Dickicht auf der anderen Seite verschwindet.
»Büsche und Bäume haben wir schon lange keine mehr gesehen«, bemerke ich.
Dinah antwortet nicht, nickt nur leicht. Konzentriert mustert sie die Landschaft hinter den Teichen. Offensichtlich schätzt sie die Zeit ab, die Gabriel wegbleibt. Darum halte ich den Mund und versuche, Gabriel hinter den Teichen auszumachen. Aber mit der Augenbinde, die alles dämpft, was man sieht, ist das nicht ganz einfach.
»Okay«, sagt Dinah schließlich und steht auf. »Kommt!«
Wir schlagen dieselbe Richtung ein wie Gabriel, halten direkt auf die Sonne zu. Das Wasser der Teiche ist kristallklar. Nur die starken Sonnenreflexe verhindern, dass man bis auf den Grund sehen kann. Ich überlege, warum hier wohl so viele Teiche angelegt worden sind. Als ich stehen bleibe, um am Wasser zu schnuppern, fasst Dinah mich am Arm und zieht mich hoch. Sie schüttelt nur den Kopf, sagt aber nichts.
Als wir das Dickicht erreichen, wird der Boden lockerer. Wahrscheinlich, weil er hier natürlich entstanden ist und nicht künstlich. Gabriels Stiefel haben deutliche Abdrücke hinterlassen. Sie folgen einem kleinen Pfad. Das Dickicht besteht fast ausschließlich aus silbrigen wacholderähnlichen Büschen, die dicht verschlungen ein undurchdringliches Gestrüpp bilden. Die Büsche scheinen vertrocknet zu sein. Der Pfad windet sich zwischen ihnen hindurch und ist von kleinen silberfarbigen Nadeln bedeckt, die auffunkeln, wenn wir auf sie treten.
Plötzlich endet das Dickicht. Es mündet in eine Lichtung mit einzelnen Bäumen, die an Birken erinnern. Unter einem der Bäume hockt Gabriel.
»Ab hier wird es offener«, sagt er und deutet auf die Landschaft, die an die Lichtung anschließt und wo sich Felder mit harten, knolligen Erdschollen ausbreiten. Die Bäume tragen kein Laub, und das Gras auf dem Boden ist grau, also ist es vermutlich Herbst oder vielleicht zeitiger Frühling.
»Sieht doch gut aus, oder?«, sage ich.
Dinah zuckt die Schultern, sagt aber nichts. Stattdessen bemerkt Gabriel: »Weiter hinten liegt ein Hof.«
»Und was macht der für einen Eindruck?«
»Ich hab ihn noch nicht aus der Nähe gesehen, aber alles wirkt friedlich.«
»Keine Spuren von Menschen?«
Gabriel schüttelt den Kopf.
»Also gut«, sagt Dinah. »Unser Ziel ist der Hof, aber vorher verteilen wir uns und halten uns versteckt. Wir müssen vorsichtig sein. Vor dem Hof warten wir, Gabriel geht allein näher ran.«
Wir nicken und machen uns auf den Weg. Ich halte zu den anderen so großen Abstand wie möglich, ohne sie aus den Augen zu verlieren. Zum Glück entdecke ich eine Art Graben, der genau in die Richtung verläuft, wo der Hof Gabriel zufolge liegen soll. Ich springe in den Graben, der so tief ist, dass ich fast aufrecht darin gehen kann. Während ich dem Graben folge, kann ich jenseits eines Feldes ab und zu David sehen. Nach einiger Zeit taucht der Hof vor mir auf. Er ist von dürren Büschen umgeben, die eine Art Hecke bilden. Zwischen den Zweigen sehe ich das rote Wohnhaus und weitere Gebäude, darunter ein recht großes, vermutlich die Scheune. Inzwischen bewege ich mich langsamer und werfe immer wieder einen Blick zu David hinüber, der ebenfalls langsamer wird. Ob es auf dem Hof wohl Hunde gibt? Hunde, die plötzlich losbellen und auf mich zugerast kommen? Als ich so nah am Haus bin, dass ich fast durch die Fenster an der Giebelseite schauen kann, bleibe ich stehen. Ringsum ist es ganz still. Ich gehe in die Hocke, lockere meine Augenbinde und wische mir die Stirn. Friedlich ist es hier auf dem Land, denke ich.
Und während ich dort im Graben hocke, fällt mir plötzlich dieser Film ein, den wir damals angeschaut haben. Der von dem Kreuzritter, der nach Hause kam und feststellte, dass die Pest sein Land verwüstet hatte. Das ist wie bei uns, denke ich. Genau das erleben wir jetzt. Dann verdränge ich den scheußlichen Gedanken.
Plötzlich sehe ich Dinah, die mir mit der Hand ein Zeichen gibt. Weitergehen, denke ich
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