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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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der sich mit Dissidenten und politisch Verfolgten in der UdSSR beschäftigt hat. Dieser Rechtsanwalt besitzt sehr viel Material über Leute, für die sich Ido interessierte, vor allem über Ferber, ich weiß nicht, ob Sie Ferbers Gedichte kennen.«
    Michael machte ein unergründbares Gesicht.
    »Anatoli Ferber war Scha'uls Entdeckung. Er hat auch andere Dichter entdeckt, viele, hier im Land, aber er liebte es besonders, unbekannte ausländische Dichter zu entdekken, und übersetzte ihre Lyrik aus dem Deutschen oder dem Tschechischen, wie er es im Fall von Hrabal getan hat.« Klein warf Michael einen hastigen Blick zu, als er diesen schwierigen Namen aussprach.
    Michael schüttelte den Kopf.
    »Aber Anatoli Ferber war seine große Entdeckung«, sagte Klein und beugte sich vor. »Ich persönlich bin davon überzeugt – und ich war es von Anfang an –, daß dies ein Teil des Mythos' war, den Scha'ul um sich errichtet hat. Meiner Meinung nach sind die Gedichte Ferbers nicht aufrichtig ... es fehlt ihnen die Originalität, die Scha'ul ihnen zugeschrieben hat. Um die Wahrheit zu sagen, es sind ziemlich durchschnittliche Gedichte, und falls sie eine Bedeutung haben, dann nur aus dem historischen Kontext heraus. Doch das konnte man unmöglich zu Scha'ul sagen, ohne sich der Gefahr eines stundenlangen Vortrags über die Geschichte der hebräischen Sprache auszusetzen.«
    Kleins Lippen verzogen sich zu einer Art Lächeln, und dann, als erinnere er sich an die Vorfälle der letzten Tage, wurde er wieder ernst. Er setzte sich aufrecht hin. »Schon am Telefon hatte ihm jener Rechtsanwalt gesagt, daß in Ferbers Haus jetzt jemand lebe, der Ferber gekannt habe und der mit ihm im Gefängnis gewesen sei. Derjenige wisse sogar, wie die Gedichte entstanden und wie sie versteckt worden seien. Das war eine große Neuigkeit, denn Tirosch hatte erzählt, er habe die Gedichte in Wien gefunden, eine ganz einmalige Geschichte, und daß keiner der Menschen, mit denen Ferber eingesperrt war, Hebräisch sprechen konnte. Kurz gesagt, Ido war sehr aufgeregt, und ich sehe ihn noch vor mir mit seinen funkelnden Augen.« Arie Klein seufzte und griff wieder nach seiner Kaffeetasse.
    »Wie war er auf diesen Rechtsanwalt gestoßen?«
    »Zufällig, durch eine Bibliothekarin im ›Jewish Theological Seminary‹, dort war er in der ersten Woche fast dauernd gewesen. Ich erinnere mich nicht an Einzelheiten, aber Ido sagte ihm am Telefon, er sei ein Doktorand aus Jerusalem, und der Rechtsanwalt lud ihn ein.«
    Klein zog die Augenbrauen hoch und schaute auf das große Foto, das an der Wand zwischen zwei Bücherschränken hing, das Foto eines Mannes mit einem breiten Gesicht und einer Glatze. Er trug einen Anzug. Das Bild kam Michael bekannt vor, doch er erinnerte sich nicht, woher er es kannte.
    »Ido fuhr nach Washington und rief mich von dort einmal an, dann fuhr er weiter nach North Carolina, in eine Universitätsstadt namens Chapel Hill. Waren Sie schon mal in den Vereinigten Staaten?«
    Michael schüttelte den Kopf. »Nur in Europa«, antwortete er und fragte, ob er rauchen dürfe.
    »Natürlich«, sagte Klein und zog hinter einem der Papierstapel einen runden Aschenbecher aus Glas hervor. Es war deutlich, daß er genau wußte, wo sich jedes einzelne Ding befand.
    »Alles, was ich bisher gesagt habe, war die Einleitung. Worüber ich eigentlich sprechen wollte, war Idos Zustand, als er von dort zurückkam. Man mußte ihn kennen, um zu verstehen, was für eine ungeheure Veränderung mit ihm geschehen war.« Klein schwieg einen Moment, als sehe er Ido Duda'i vor sich, dann sprach er weiter: »Vielleicht fragen Sie sich, wieso zwischen uns, obwohl er nicht mein Student war, das heißt mein Doktorand, ein so enges Verhältnis bestand. Natürlich hat er meine Vorlesungen besucht, er hat sogar an Seminaren teilgenommen, aber das Verhältnis zwischen uns ging darüber hinaus. Man mußte einfach beeindruckt sein von seiner wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit und seiner persönlichen intellektuellen Gradlinigkeit. Er war ein kluger und aufrichtiger junger Mann, obwohl er nicht die Leichtigkeit besaß, die man sich für sein Alter wünscht, er war nicht ausgelassen, aber auch nicht depressiv. Auf eine seltsame Weise könnte man sagen, er war ein psychisch vollkommen unkomplizierter Mensch, obwohl er durchaus sensibel war. Aber überhaupt nicht launisch. Ofra, meine Frau, mochte ihn sehr, und er war viele Male hier. Scha'ul war das nicht recht. Er spottete oft,

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