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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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selbstverständlich, daß du die Regeln bestimmst, immer bestimmst du sie, aber nie hast du mir so weh getan wie jetzt, und dabei hast du immer gesagt, ich wäre nicht spontan! Wer hat dir das Recht gegeben zu behaupten, du liebst mich, während du so etwas vor mir geheimgehalten hast? Was hast du geglaubt, was ich bin? Ein Baby? Daß ich es nicht aushalte? Auch das ist ein Wort, das du gerne benutzt. Aber was kann ich überhaupt sagen, schließlich bin nicht ich dein Mann, ich bin nur dein Liebhaber, und ich habe gedacht, wir wären auch Freunde, aber jetzt, plötzlich, wirfst du mir so etwas hin, und es stellt sich heraus, daß ich die ganzen Jahre nur deine Spielecke gewesen bin.«
    Maja, nachdem sie ein paarmal ihre Lippen bewegt und ihren Rock über den Knien glattgestrichen hatte, nutzte den Moment aus, in dem er schwieg, und schrie zurück: » Bist du nicht der berühmte Detektiv, hättest du es nicht wissen können, wenn du gewollt hättest? Glaubst du, es ist ein Zufall, daß du die ganzen Jahre nicht gewagt hast, irgend etwas zu fragen? Bist du es nicht, der die ganze Zeit behauptet, es gebe keine Zufälle? Wie kommt es, daß du es nicht gewußt hast?« Die Tränen, die ihre Stimme beim Sprechen erstickt hatten, fingen nun an zu fließen, groß und durchsichtig, und die kindliche Bewegung, mit der sie sich mit dem Handrücken über die Wangen fuhr, brach ihm fast das Herz. Und obwohl wieder Wellen von Wut in ihm aufstiegen, erhob er sich und ging zu ihr, zog sie vom Sessel, umarmte sie mit aller Kraft und wischte ihr sogar mit den Lippen die Tränen ab, doch sie sagte: »Sei nicht hart zu mir, Michael, bitte sei nicht hart zu mir, laß mich gehen, und ich werde zurückkommen, du wirst sehen, daß ich wiederkomme.« Er sagte schon nichts mehr, weil in seinem Herzen Wut, Zorn, Mitleid und Liebe miteinander stritten, und vor allem das scharfe Gefühl, betrogen worden zu sein.
    Er konnte nicht einschlafen. jedesmal wenn er die Augen zumachte, wurde er von einer neuen Welt des Zorns gepackt, danach von Selbstmitleid, und als er schließlich sah, daß es drei Uhr nachts war, gab er seine Versuche, einzuschlafen, auf und setzte sich in den blauen Sessel. (»Was hast du den ganzen Monat lang getan?« hatte Maja einmal gefragt, nach einem seiner Versuche, sich von ihr zu trennen. »Ich habe mich in die Arbeit gestürzt«, hatte er geantwortet, und er erinnerte sich sogar noch daran, welches Kleid sie damals angehabt hatte.) Er zog an der Schnur der Stehlampe und blätterte ein wenig in dem Buch von Anatoli Ferber, dem Buch, das er auf Tiroschs Bett gefunden hatte, und betrachtete die schwarzen Buchstaben, die kurzen Spalten. Er erinnerte sich an Ido Duda'is Gesicht, wie er es in dem Fernsehfilm gesehen hatte, danach daran, wie es am Strand in Eilat ausgesehen hatte, und dann dachte er an die Bemerkung Imanuel Schorrs in dem Café, und er wußte, daß der Schlüssel zu allem in dem Verhalten Duda'is während des Seminars lag, in dem Kampf, den er auf dem Bildschirm gesehen hatte. Wieder betrachtete er das Vorwort, das Tirosch zu Ferbers Buch geschrieben hatte, des Dichters, den Tirosch entdeckt und veröffentlicht hatte, und er erinnerte sich an die erschrockene Reaktion Ruth Duda'is und Ruchama Schajs, an seine eigene Reaktion beim Anblick von Tiroschs Leiche, ein ähnliches Gefühl, wie er es jetzt empfand, und laut sagte er: »Du hast einfach einen Schock«, und seine Stimme hallte im Zimmer und machte ihm angst. Wieder fühlte er eine hilflose Wut auf Maja, und dann kam die Welle von Mitleid mit sich selbst, mit ihr und sogar mit ihrem Mann. Er versuchte aufzustehen.
    Sein Körper war schwer, und der Himmel wurde langsam hell. Er ging in die Küche, stellte den Wasserkessel auf den Herd, dann duschte er, rasierte sich mit langsamen Bewegungen, betrachtete sein Gesicht, das aussah wie das eines fremden, harten Mannes, die feinen Fältchen um seine Augen. Der Wasserkessel pfiff laut, und wieder dachte er, daß er einen elektrischen Wasserkessel kaufen müßte, der ihn nicht so nervös machen würde, doch er ließ den Kessel pfeifen, bis er sich das Gesicht mit dem kleinen Handtuch abgetrocknet hatte, das so hart war wie Sandpapier, und er hörte Majas Stimme, die behauptete, in Jerusalem könne man nicht ohne Weichspüler waschen, das Wasser sei viel zu hart, und er versuchte, die Tränen zurückzuhalten, während er sich einen starken, schwarzen Kaffee machte und bemerkte, daß seine Hände zitterten, als er einen

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