Am Anfang war das Wort
Löffel Zucker in die schwarze Flüssigkeit kippte. Die Uhr, die Juval ihm gekauft hatte, als er mit seinem Großvater in die Schweiz gefahren war, und die nun an der Küchenwand hing, zeigte fünf Uhr, die Spatzen fingen an zu tschilpen, und aus einer der Wohnungen war das Weinen eines Babys zu hören. Michael trank seinen Kaffee im Stehen, schnell, obwohl er sich Gaumen und Zunge verbrannte – ein Gefühl, das er mit einer gewissen Dankbarkeit hinnahm, es war wenigstens ein klares, eindeutiges körperliches Empfinden –, dann spülte er die weiße Tasse, stellte sie in den Schrank über der Spüle und verließ das Haus.
Elftes Kapitel
»Alle sind schon drüben«, sagte Zila mit besorgtem Gesicht. »Er will Einzelheiten über den Film, den wir vorgestern gesehen haben. Er hat gesagt, heute wäre schon Mittwoch, und hat alle in sein Zimmer bestellt. Ich habe gesagt, du würdest gleich kommen, aber er hat schlechte Laune, und jetzt liest er die Akte.« Sie standen vor der Tür zu Michaels Zimmer. Zilas angespannte Stimme brachte ihn dazu, ihr schnell zum Zimmer des Polizeichefs zu folgen. Das kleine Vorzimmer war leer, die Schreibmaschine war zugedeckt. »Also dann«, sagte er mit einer Stimme, die seine ganze Niedergeschlagenheit verriet.
Wieder saßen sie bei der Morgensitzung, wieder blätterten alle schweigend und konzentriert in den Unterlagen, die Zila vorbereitet hatte, im Gutachten des pathologischen Labors, in den Fotoabzügen, im Bericht der Spurensicherung, in der Liste der Fragen, die beim Detektor gestellt werden sollten, in den Protokollen der Verhöre, in den unterschriebenen Erklärungen. Rafi Elfandari legte die Kopie hin, die er in der Hand hielt, betrachtete lange das Foto von Tiroschs Leiche, dann das Foto der indischen Statue, die im Auto gefunden worden war. »Was ist das für eine Figur?« fragte er und nahm einen Schluck aus dem Pappbecher, den er in der Hand hielt.
»Es ist eine Statue des Gottes Schiwa«, sagte Michael. »Die Spurensicherung hat gesagt, es gebe keine Fingerabdrücke. Sie ist vollkommen sauber. Aber jemand muß sie vom Büro ins Auto gebracht haben, es ist äußerst seltsam, wie um uns darauf hinzuweisen, daß das die Mordwaffe ist. Und wenn du das pathologische Gutachten gelesen hast, weißt du ja, daß man Spuren von Metall auf seiner Gesichtshaut gefunden hat, vermutlich wurde wirklich mit der Figur auf ihn eingeschlagen. Auch im Auto gibt es keine Fingerabdrücke, aber sein Zimmer ist voll damit. Alle sind geprüft worden. Es gibt alles, was man sich nur wünschen kann, jede Menge Abdrücke von Tuwja Schaj, aber auch von Ja'el Eisenstein, die ihren Angaben nach an jenem Tag nicht im Zimmer gewesen ist, wobei sie natürlich wirklich einen Tag vorher hätte dortgewesen sein können, von Ruchama Schaj, und auch von dem jungen Mann, der dort putzt, mit dem ich gestern gesprochen habe ... «
»Du meinst diesen Araber? Der schon verhört worden ist?« fragte Balilati mißtrauisch. Michael nickte und fuhr fort: »Aber ich möchte, daß wir noch einmal über Klein diskutieren.«
»Das Ding ist ein bißchen zu pornographisch für einen Büroschreibtisch, oder?« meinte Balilati, hob den Blick von dem Foto der indischen Figur und schaute Zila an, die jedoch nicht auf das anzügliche Glitzern in seinen Augen reagierte.
»Ich weiß nicht genau, was du dir unter Pornographie vorstellst, aber literarisch gesehen ist sie sozusagen ein wichtiges Thema«, meinte Michael und verzog den Mund.
Arie Levi, der Polizeichef, schaute von der Akte auf, in die er sich vertieft hatte, und setzte seine Lesebrille ab, blickte sich ärgerlich im Zimmer um, setzte dann die Brille wieder auf und blätterte seufzend weiter in der Akte. Michael dachte an die unzähligen Male, die sie alle bei ähnlichen Anlässen schon zusammengesessen hatten, und fragte sich, wohin der Trost verschwunden war, den er immer aus ihrer Vertrautheit gezogen hatte, aus ihrem Verhalten, das er so gut kannte, daraus, daß er ihre Reaktionen voraussagen konnte. An diesem Morgen machte ihn das alles nur nervös. Vielleicht, dachte er, weil Imanuel Schorr nicht dabei ist, der immer als Puffer zwischen ihm und Arie Levi fungiert hatte, aber eigentlich wußte er, daß ihn an diesem Morgen auch Emanuel Schorr nicht vor dem Gefühl der Einsamkeit geschützt hätte. Er warf heimlich einen Blick auf seine Uhr. Sogar Balilati bemerkte seine schlechte Laune und murmelte: »Es ist erst acht Uhr, Ochajon.« Zila
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