Am Anfang war der Seitensprung
Mütter, die zu Hause saßen und jammerten. Vielleicht war ich wirklich ungerecht Queen Mum gegenüber.
»Du siehst sie später, sie hält gerade Mittagschlaf. Und was hast du gestern gemacht?«
Doros Augenringe schienen noch dunkler zu werden.
Sie griff nach einer Papierserviette und begann, kleine Stücke abzureißen und zu Kügelchen zu drehen. Das hatte ich schon oft bei ihr beobachtet, wenn sie nervös war oder sich ärgerte.
»Den gleichen Fehler wie tausendmal vorher«, sagte sie mit Grabesstimme. »Ich hab einen Typen abgeschleppt.«
»Und?« fragte ich, gierig auf die Schilderung einer neuen sexuellen Ausschweifung.
»Nichts. Sein Pimmel war so unbedeutend, daß ich nicht mal gemerkt habe, ob er steht.«
Ich lachte laut auf. »Was hast du gemacht? Ein Vergrößerungsglas benutzt?«
»Ich habe ihn rausgeschmissen.«
»Der Arme. Sicher hat er sich vor die S-Bahn geworfen.«
»Sein Problem. Den Rest der Nacht habe ich mir die Kanne gegeben. Apropos, hast du ein Aspirin?«
Ich löste zwei Kopfschmerztabletten auf und reichte Doro das Glas. Die Ärmste war wirklich in einem desolaten Zustand. Dabei sah sie, wenn sie nicht gerade die Nacht durchgesumpft hatte, ziemlich gut aus. Sie war klein und zierlich, hatte halblanges, blondes Haar und große grüne Augen, die immer ein bißchen fragend dreinblickten. Eigentlich müßte sie Beschützerinstinkte bei Männern wecken, aber irgendwie schaffte sie es, nur ihre Fluchtinstinkte zu aktivieren.
»Was ist denn mit dem Steuerberater von neulich, wie hieß er noch?«
»Edgar? Edgar ist nicht nur schwul wie die Nacht, sondern auch noch verheiratet, zur Tarnung.«
»Und dieser andere, den du auf der Siebziger-Jahre-Party kennengelernt hast?«
»SM.«
»Ess was?«
»Sado-Maso. Er hat mich in Latex-Dessous gesteckt und wollte mich fesseln und auspeitschen.«
Ich fand den Gedanken überraschenderweise ganz kribbelnd.
»Stehst du gar nicht auf so was?« forschte ich zaghaft nach.
»Leider nein. Ich stehe auf ganz normalen, biederen, Zwei-bis-dreimal-die-Woche-Heterosex. Am besten mit einem Kerl, den ich schon mal vorher gesehen habe. Es kommt mir allmählich so vor, als sei das pervers und alles andere normal.«
»Vielleicht bist du zu wählerisch.«
»Bestimmt nicht. Früher dachte ich, es müsse mindestens Tom Cruise sein. Heute würde ich mich schon mit Rudolf Scharping zufriedengeben.«
»Was spricht gegen Rudolf Scharping?« fragte ich. Den hatte ich eigentlich immer ganz nett gefunden.
»Auch verheiratet. Oder ist er schon geschieden? Egal.
Weißt du, ich habe es einfach satt, mich jeden Abend aufzurüschen und auf die Piste zu gehen. Es ist so verdammt ermüdend, jeden Abend gut aussehen zu müssen, jeden Abend gut drauf sein zu müssen, weil jeden Moment der Richtige auftauchen könnte und man ja dann nicht aussehen will wie Susi Farblos.«
»Was glaubst du, wie ermüdend es sein kann, jeden Abend mit dem gleichen Mann zu Hause zu sitzen, weil du dir nicht ständig einen Babysitter leisten kannst, um mal auf die Piste zu gehen. Und der will auch, daß du gut aussiehst, sonst hat er nämlich nach ein paar Jahren ’ne andere, und dann geht der Streß von vorne los.«
Überrascht richtete Doro ihre grünen Augen auf mich.
Allmählich war etwas Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt, und sie sah wieder ganz gut aus. Sie war wie immer phantastisch angezogen, heute trug sie zu einem edlen grauen Kaschmirpullover eine oberscharfe, schwarze Lederjeans, um die ich sie plötzlich heiß beneidete.
»Soll das heißen, du bist nicht glücklich mit Friedrich?«
fragte sie interessiert und drehte ein neues Kügelchen.
»Nein, das soll es absolut nicht heißen. Ich will nur sagen, daß Verheiratetsein auch nicht immer der Gipfel der Genüsse ist. Manchmal ist es ganz schön anstrengend.
Du solltest deine Freiheit genießen, solange du noch kannst.«
»Da könntest du recht haben.« Doro reihte ihre Kügelchen ordentlich nebeneinander auf.
Klar hatte ich recht. Oder dachte ich das nur, weil ich im Gegensatz zu ihr den ganz normalen, biederen, Zweibis-dreimal-die-Woche-Heterosex hatte? Jedenfalls war ich ganz schön froh, daß ich nicht in ihrer Haut steckte, Freiheit hin oder her.
Die Weihnachtstage waren überstanden. Queen Mum war abgereist, mein Auge abgeschwollen. Auf den Rest von mir traf das leider nicht zu, ich hatte drei Kilo zugenommen und war übelster Laune. Sofort begann ich mit der »Beautyline«-Intensivkur.
Schon mit elf hatte ich die
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