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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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vorsichtshalber hin.
    »Sämtliche Wohnungen in unserem Haus, einschließlich meiner eigenen, werden komplett saniert. Ich wollte dich fragen, ob ich für einige Wochen bei euch unterschlüpfen kann.«
    Gut, daß ich saß. Ich schwieg.
    »Das klingt ja begeistert«, hörte ich meine Mutter, »ich kann natürlich auch ins Hotel gehen.«
    »Nein, nein«, beeilte ich mich zu sagen. »Natürlich kommst du zu uns. Es ist nur … ich bin ein bißchen überrascht, das ist alles.«

    »Mach dir keine Sorgen, Anna, ihr müßt euch überhaupt nicht um mich kümmern. Und in ein paar Wochen seid ihr mich wieder los.«
    Ich legte auf. Und was machte ich bis dahin? Am besten, ich zöge ins Hotel. Wochenlang unter einem Dach mit meiner Mutter, das würde ich nicht überleben. Jedenfalls nicht ohne dramatische Folgen für meine geistige und körperliche Gesundheit.

Vier
     
    Queen Mum rückte an, mitsamt ihrem Bett, der Spezialmatratze aus Latex, ihrem ergonomischen Schreibtischstuhl, drei Koffern und vier Taschen. Das winzige Gästezimmer platzte aus allen Nähten. Eigentlich hätte ich Lucy bitten können, ihr Zimmer zu räumen und ins Gästezimmer zu ziehen, aber in einem letzten Anflug von Auflehnung hatte ich auf diese Geste der Höflichkeit verzichtet.
    Friedrich hatte nur schicksalsergeben mit dem Kopf genickt, als er das Unvermeidliche erfuhr.
    »Ich hoffe nur, du bist nicht wochenlang schlecht drauf«, war sein einziger Kommentar gewesen.
    Er hatte eine aufreizende Fähigkeit entwickelt, sich aus allem rauszuhalten. Wenn ihm was nicht paßte, flüchtete er ins Labor und versenkte sich in seine Desoxyribonukleinsäuren.
    Ich hatte bei der Bank beantragt, ab sofort fünf Vormittage die Woche eingesetzt zu werden, was zur Folge hatte, daß Herr Hinterseer mich leicht erreichen konnte. Der hatte nämlich seit dem Tag unseres ersten Gespräches jeden Tag nach mir gefragt. Ich war zum Gespött meiner Kollegen geworden und sah keine andere Chance mehr, mir den Kerl vom Leib zu schaffen, als ihn in einem persönlichen Gespräch aufzufordern, mich nicht weiter zu belästigen.
    »Dann hab ich es also endlich geschafft«, frohlockte er, als ich hinter vorgehaltener Hand ins Telefon flüsterte, daß ich bereit sei, mich mit ihm zu treffen, aber nur, wenn er mich bis dahin nicht mehr in der Bank anriefe.

    Für unser Treffen hatte ich ein Lokal vorgeschlagen, von dem Doro mir mal erzählt hatte. Da sie mit völlig anderen Leuten verkehrte, war ich ziemlich sicher, daß keiner unserer Freunde oder Bekannten dort auftauchen würde.
    Es wäre einfach zu peinlich gewesen, mit Herrn Hinterseer gesehen zu werden; ganz zu schweigen davon, daß Friedrich nichts erfahren durfte. Ihm hatte ich gesagt, ich ginge mit einer Kollegin ins Kino.
    Als ich mich zum Ausgehen fertigmachte, spürte ich ein ungewohntes Kribbeln im Bauch. Wie lange war es schon her, daß ich mich für einen anderen Mann schöngemacht hatte?
    Natürlich schmiß ich mich nicht richtig in Schale, ich zog nur das einzig wirklich teure Kleid an, das ich besaß, und schminkte mir Augen und Lippen. Ich hatte ein bißchen Mühe, den durch Queen Mums Einzug verursachten neuerlichen Ausbruch der Urtikaria zu überschminken, aber mit einem Abdeckstift von Lucy gelang es mir einigermaßen.
    Als ich fertig war, sprang Jonas in meine Arme.
    »Du bist wunderschön, Mami! Und wie gut du riechst!«
    Ich schob ihn vorsichtig von mir.
    »Paß auf, Schätzchen, mein Kleid.«
    Ich küßte mit meinem Lippenstiftmund an seinem Ohr vorbei. »Und sei brav zu Omi!«
    Mit dem Gefühl, etwas aufregend Verbotenes zu tun, verließ ich das Haus.
    Das bayerische Lokal paßte zu Herrn Hinterseers Dialekt. Die Gaststube war stilecht mit Hirschgeweihen und karierten Vorhängen ausgestattet. An klobigen Wirtshaustischen saßen Männer beim Bier, einige Familien und ältere Ehepaare aßen Schweinsbraten mit riesigen Knödeln. Suchend sah ich mich um. In meinem Kopf hatte ich ein ziemlich präzises Bild von dem Mann, mit dem ich verabredet war. Ich stellte ihn mir behäbig vor, mit einem Bart, vielleicht sogar in Lederhosen und Lodenjanker. Er hatte sich am Telefon nicht beschrieben; unser Erkennungszeichen war ein zusammengerolltes Exemplar der »Woche«.
    Ich sah mich um. Es waren nur drei Personen im Raum, die allein am Tisch saßen. Eine hagere ältere Frau, die in beängstigender Geschwindigkeit einen Teller Schinkennudeln in sich hineinschaufelte, und zwei Männer, der eine mit Anzug und Krawatte, der

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