Am Anfang war der Tod
sie von einem zum anderen und ging zur Küchentheke, um selbst einen Blick auf die Zeitung zu werfen.
„Stuart Fresia“, sagte Nick.
„Stuart?“
„Ich habe gehört, dass er ein guter Freund von dir war“, murmelte Sharon.
Entsetzt griff Ashley zur Zeitung. Sie konnte kaum glauben, was sie da las.
Stuart.
Er war wirklich nicht nur ein Klassenkamerad gewesen, sondern ein richtiger Freund. Seit Jahren hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Er gehörte zu jenen pfiffigen Kindern, aus denen eines Tages pfiffige Erwachsene wurden. Es war ihm gelungen, fleißig, strebsam und dennoch beliebt zu sein. Er hatte stets davon gesprochen, Jura zu studieren. Er war gerne ausgegangen und hatte auch gerne mal ein Bier getrunken, Zigaretten geraucht oder hin und wieder eine Zigarre. Drogen hatte er jedoch nie angerührt. Manchmal hatte sie ihn regelrecht beneidet. Während sie bei vielen ihrer Freundinnen die Scheidungen derer Eltern und neue Partnerschaften miterlebt und -erlitten hatte, führten Stuarts Eltern eine Bilderbuchehe. Das hatte sie jedes Mal feststellen können, wenn sie bei ihm zu Hause war. Sie liebten sich und ihren Sohn mehr als alles auf der Welt.
Obwohl auch er während der Pubertät einigen Unsinn gemacht hatte, war er seinen Eltern stets ein guter Sohn gewesen. Schon früh hatte er gelernt, dass er als Einzelkind eine gewisse Verantwortung ihnen gegenüber hatte.
Und jetzt hatte sie Stuart auf dem Highway wiedergesehen, schwer verletzt und nur mit einer Unterhose bekleidet. Das alles ergab doch keinen Sinn – ebenso wenig wie der Zeitungsartikel.
Sie musste ihn mehrere Male lesen. Nach Aussagen von Augenzeugen und des Fahrers, der ihn angefahren und daraufhin einen Schock erlitten hatte, war Stuart unvermittelt über den Highway gelaufen, ohne auf den Verkehr zu achten. Niemand hatte ihn kommen sehen. Er war offenbar nicht aus einem Wagen gestiegen, und er hatte auch keine Papiere bei sich gehabt. Er hatte mehrere innere Verletzungen und eine schwere Gehirnerschütterung erlitten. Nach einer mehrstündigen Operation war er nicht aus der Narkose erwacht und wurde seitdem mit Hilfe von Maschinen am Leben gehalten. Die Ärzte hatten alles Menschenmögliche getan, obwohl sie nicht glaubten, dass er durchkommen würde. Der Arzt, der die Operation geleitet hatte, meinte jedoch, dass ein junger Mann in der Blüte seiner Jahre mit dem unbändigen Willen zum Überleben dennoch eine Chance haben könnte.
Das Motiv für sein lebensgefährliches Verhalten schien Heroin zu sein, das man in großen Mengen in seinem Blut und Urin gefunden hatte.
„Nein“, murmelte Ashley verstört.
„Es tut mir Leid“, sagte Nick mitfühlend. Er stand hinter ihr und hatte die Hände auf ihre Schultern gelegt.
„Nein, ich meine, das ist unmöglich. Stuart und Heroin? Er war kein Junkie.“
„Ashley, du hast ihn eine ganze Weile nicht gesehen, nicht wahr?“
Sie legte die Zeitung hin und sah Nick an. „Ja, es ist eine Weile her, aber trotzdem kann ich es nicht glauben.“
„Die Menschen verändern sich, Ashley“, gab Sharon zu bedenken.
Stirnrunzelnd schüttelte Ashley den Kopf. „Stuart wollte immer Blut spenden, wenn irgendwo eine Katastrophe passiert war und die Kirchen und Schulen zum Spenden aufriefen. Aber er ist nie zum Zuge gekommen, weil er immer ohnmächtig geworden war, wenn jemand mit einer Spritze auf ihn zukam. Deshalb stimmt das alles hinten und vorne nicht.“
Nick nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. „Ashley, es ist nun mal passiert. Du hast den leblosen Körper gesehen, und du hast den Artikel gelesen. Durchaus möglich, dass Stuart ein prächtiger Junge war. Vielleicht ist er immer noch ein guter Mann, der sich nur mit den falschen Leuten eingelassen hat. Immerhin ist er ja noch am Leben. Es besteht also noch Hoffnung.“
„Ja, du hast Recht. Das heißt – wenn seit Samstag nichts mit ihm passiert ist. Vielleicht ist er ja inzwischen …“ Erschrocken hielt sie inne und sah Nick mit großen Augen an. „Lass mich doch mal die Todesanzeigen sehen. Ist das da drüben die Zeitung von Montag?“
„Ich habe schon nachgesehen. Sein Name ist nicht dabei“, versicherte Sharon.
„Gott sei Dank“, sagte Ashley erleichtert.
„Du musst jetzt zur Arbeit“, erinnerte Nick sie. „Ich rufe im Krankenhaus an, erkundige mich nach seinem Zustand und hinterlasse dir eine Nachricht auf deiner Mailbox. Die kannst du dann in der Pause abrufen. Einverstanden?“
Sie nickte. „Das ist lieb von
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