Am Anfang war der Tod
die Pier zur Bar – ein lang gestreckter Raum, von wo aus man einen herrlichen Blick über den Hafen hatte. Die kleine Küche, die Nick privat nutzte, und das großzügige Wohnzimmer waren sowohl vom Restaurant als auch vom Büro aus zugänglich, das sich hinter dem Restaurant befand. Nicks Schlafzimmer lag über dem Wohnzimmer, während Ashley ihren eigenen Bereich im Parterre hatte. Dorthin gelangte sie durchs Wohnzimmer oder durch einen Privateingang rechts neben dem Restaurant. Sie fühlte sich hier ausgesprochen wohl. Die Atmosphäre war rustikal und gemütlich. Und da Nick sehr penibel und ordentlich war und auf Sauberkeit achtete, war das Haus in einem tadellosen Zustand. Zudem hatte er es sehr geschmackvoll gestaltet – jedenfalls wenn man ein Liebhaber von maritimer Einrichtung war. Über dem Eingang des Wohnzimmers waren Kieferknochen und Zähne eines weißen Hais befestigt, und in einem Glaskasten daneben hing eine Schiffsglocke aus dem neunzehnten Jahrhundert. Die Wand war von oben bis unten mit Fotos bedeckt, und jedes einzelne bedeutete ihr etwas. Auf vielen waren ihre Eltern abgebildet, einige zeigten Nick und ihre Mutter als Kinder, auf anderen war sie selbst mit ihrer Familie zu sehen. Zu ihren Lieblingsstücken gehörte ein Foto, auf dem ihr Vater eine Uniform trug, und ein zweites, auf dem sie selbst mit ihren Eltern zu sehen war. Jemand hatte es an dem Tag aufgenommen, als sie bei einem Wettangeln für Kinder ihren ersten Rotbarsch gefangen hatte.
Natürlich hatte so ein altes Haus auch seine Nachteile. Zum Beispiel gab es nicht immer heißes Wasser zum Duschen. Als sie unter den lauwarmen Strahl trat, erinnerte sie sich, dass Nick gesagt hatte, Sharon dusche ebenfalls. Na wenn schon, dann würde sie sich eben beeilen und umso schneller wieder trocken sein. Wenigstens an der Klimaanlage war nichts auszusetzen. Nick hielt sie in Schuss, denn schließlich erwarteten seine Gäste ein angenehm temperiertes Restaurant, wenn sie zum Lunch kamen, nachdem sie bis zum Mittag in der heißen Sonne gewesen waren.
Fünfzehn Minuten später war sie fertig angezogen und lief zurück in die Küche. Zu ihrer Überraschung hatte Nick auch schon geduscht – vermutlich eiskalt. Er trug Shorts und ein Polohemd und war über eine Zeitung gebeugt, die auf der Küchentheke lag. Mit grimmiger Miene blätterte er durch die Seiten. Sharon stand neben ihm und hielt ebenfalls Ausschau nach einer Meldung über den Unfall. Nicks Freundin, mit der er nun schon fast ein Jahr zusammenlebte, war eine ausgesprochen attraktive Frau. Sie war zierlich und schlank und, selbst wenn sie hochhackige Schuhe trug, nicht größer als einssechzig. Sie ging regelmäßig ins Fitnessstudio, war durchtrainiert und bewegte sich anmutig. Sie war wohl etliche Jahre jünger als Nick – man hätte sie tatsächlich für dreißig halten können –, und manchmal schien sie fast zu elegant zu sein für diese rustikale Hafenbar, in der sie so viele Abende verbrachte. Wenn sie ein Geschäft witterte, entwickelte sie eine erstaunliche Hartnäckigkeit, und sie war auch mit Feuer und Flamme bei ihrer neuesten Leidenschaft – Politik. Zu Ashley hatte sie ein ausgesprochen gutes Verhältnis; es war geradezu rührend, wie sie sich um sie kümmerte. Sie hatte große blaue Augen, die sehr gut zu ihrem platinblonden Haar passten, das ihr bis knapp über die Schultern reichte. Sie war eine ausnehmend attraktive Frau, energisch, aber nicht aggressiv, intelligent und humorvoll. Mit ihr konnte man Pferde stehlen, und insofern war sie genau die richtige Partnerin für Nick.
„Habt ihr was über den Unfall gefunden?“ fragte Ashley.
Nick sah verdutzt auf. Er nickte ernst.
„Guten Morgen, mein Liebes. Es tut uns so Leid“, sagte Sharon und blickte sie mit ihren blauen Augen mitleidig an.
„Was tut euch Leid?“ wollte sie wissen.
„Wir haben erst gar nicht gewusst, welches der richtige Artikel ist. Am Samstagabend hat es nämlich einen Sturm gegeben, der zwei tödliche Unfälle verursacht hat – und dann der Fußgänger, der auf dem Highway überfahren wurde. Die Meldung stand tatsächlich im Lokalteil. Und Ashley“, fuhr Nick vorsichtig fort, „du kennst den Mann, an dem du vorbeigefahren bist. Du bist mit ihm zur High School gegangen. Er ist nicht tot, sondern liegt im Koma. Er hat ziemlich schwere innere Verletzungen, und die Ärzte können seiner Familie nicht viel Hoffnung machen.“
„Wie bitte? Wer ist es denn?“ fragte sie. Besorgt schaute
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