Am Anfang war der Tod
Bedürftigen verteilte.
Dann war da noch John Mast gewesen, Bordons rechte Hand. Auch er war wegen Betrugs verurteilt worden. Auf der Liste der Verdächtigen hätte er ganz oben gestanden.
Aber er war tot.
Jake klappte den Aktenordner zusammen.
Mach dich nicht verrückt, ermahnte er sich. Er war schließlich kein Einzelkämpfer. Ethan Franklin, der FBI-Agent, war ebenfalls zu ihrer Unterstützung gekommen, und obwohl er großspurig, arrogant und eine absolute Nervensäge war, hatte er doch eine Menge Ahnung von seinem Job.
Franklin beschäftigte sich mit diversen Mordfällen in den Staaten und untersuchte sie auf Parallelen und Gemeinsamkeiten. Morgen würden sie wieder mit ihm zusammentreffen; dann wollten sie sämtliche Unterlagen noch einmal durchgehen, Vergleiche anstellen, nach Ähnlichkeiten suchen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Im Grunde das Gleiche, womit sie auch heute schon den Tag verbracht hatten.
Wie sah die Gegenwart aus? Sie hatten eine Leiche, die Anzeichen eines gewaltsamen Todes aufwies – die gleichen, die sie bei den Morden vor fünf Jahren gefunden hatten. Diesmal handelte es sich um die Leiche einer unbekannten Frau im Zustand fortgeschrittener Verwesung, die heftiger Regen aus ihrem flachen Grab herausgespült hatte.
Und wie war es in der Vergangenheit gewesen?
Nancy.
Er erinnerte sich daran, wie sie auf dem Deck der
Gwendolyn
gestanden hatte. „Ich glaube nicht, dass dieses arme Schwein jemanden ermordet hat. Und wir werden noch mehr Leichen finden, Jake. Wir werden so lange neue Tote finden, bis diese verdammte Sekte verboten wird. Ich glaube, Peter Bordon lebt im Wahn, Gott zu sein. Er denkt, er hat das Recht, Menschen zu töten. Er hält sich für Gottes rechte Hand, für die Verkörperung seines Willens oder so was Ähnliches.“
„Wir sind ihm jetzt schon so lange auf den Fersen. Wir werden ihn zu fassen kriegen“, versicherte Jake ihr.
„Dein Optimismus in Ehren – aber wir kriegen ihn erst, wenn jemand den Bezirksstaatsanwalt dazu bringen kann, einen Haftbefehl auszustellen, damit wir beweisen können, dass er die treibende Kraft hinter den Morden ist.“ Dann hatte sie auf ihre Uhr gesehen. „Ich muss jetzt los.“
Irgendetwas an ihrem Verhalten hatte ihn an diesem Abend gestört.
„Wo gehst du denn hin?“
„Nach Hause. Hast du vielleicht vergessen, dass ich einen Mann habe?“
Aber sie war nicht nach Hause gegangen. Und am nächsten Morgen war Brian Lassiter zum ersten Mal auf der
Gwendolyn
aufgetaucht, um ihn zur Rede zu stellen.
Jake reagierte mit Panik, als er erfuhr, dass sie nicht nach Hause gefahren war. Er stand unter einer großen Anspannung. Er empfand Furcht und Schuldgefühle. Dann diese lange, frustrierende Suche nach ihr. Und jeden Tag wurde die Angst um sie größer.
Erst ein paar Wochen später war sie gefunden worden, obwohl ein riesiges Aufgebot im ganzen Bundesstaat nach ihr gefahndet hatte. Der Kanal, in dem sie entdeckte wurde, war tief. Die schwachen Reifenabdrücke, die von den kompetentesten Spurenermittlern des Bezirks analysiert wurden, hatten darauf hingedeutet, dass sie die Gewalt über ihren Wagen verloren hatte.
In den Wochen zwischen ihrem Verschwinden und ihrer Entdeckung war Peter Bordon wegen Betrugs und Steuerhinterziehung festgenommen und hinter Gitter gebracht worden. Er war allerdings noch auf freiem Fuß gewesen, als sie zum letzten Mal gesehen worden war – als sie umgekommen war.
Jeder Muskel seines Körpers verspannte sich.
Mach dich nicht verrückt! ermahnte er sich erneut.
Unvermittelt stieß er einen Fluch aus und schaute auf das leere Glas auf dem Tisch, in dem Eistee gewesen war. Wo war der Kaffee, den er bestellt hatte? Was zum Teufel war nur aus dem Service in Nicks Restaurant geworden?
Bei Nick herrschte Hochbetrieb. Ashley wurde mehrfach aufgehalten, als sie die Kaffeekanne holen wollte, um Detective Dilessios Wunsch zu erfüllen, dem er so freundlich Ausdruck verliehen hatte. Endlich hatte sie den Kaffeeautomaten erreicht, der am anderen Ende der Bar stand. In dem Moment lief sie Curtis Markham über den Weg. Er war Officer bei der Polizei von South Miami.
„Hallo, Kleines. Wie läufts in der Akademie?“ fragte er.
Curtis war um die dreißig und ein recht netter Kerl. Er war verheiratet und hatte einen Sohn, Chris. Seine Frau arbeitete bei einer Fluggesellschaft. Oft kamen sie zusammen vorbei, und wenn sie sonntags arbeiten musste, fuhr er manchmal mit Chris auf seinem kleinen
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