Am Anfang war der Tod
kann man lernen“, meinte sie. „Aber ich habe Ihre Zeichnungen gesehen. Leute mit solchem Talent gibts nicht oft.“ Sie erläuterte Ashley, dass sie als Zivilangestellte im Polizeirevier von Miami-Dade arbeiten würde und natürlich jederzeit zur Akademie zurückgehen könne, um ihren Abschluss zu machen. „Sie sollten jedoch wissen – und das sage ich nicht, um Sie unter Druck zu setzen –, dass solche Positionen wie diese nicht jeden Tag angeboten werden.“
Ashley nickte. Im Grunde hatte sie sich schon entschieden. „Was mir noch ein bisschen Sorgen bereitet, ist die Sache mit dem Rekonstruieren von Gesichtern und so. Ich habe das nämlich noch nie gemacht.“
„Auch das können Sie lernen.“
Mandy kümmerte sich den ganzen Vormittag um Ashley und beantwortete all ihre Fragen. Als Captain Murray gegen Mittag eintraf, sagte Ashley ihm, dass sie den Job gerne hätte.
Schon am nächsten Morgen sollte sie ihre Arbeit bei Mandy beginnen, teilte Murray ihr erfreut mit.
Marty hatte angerufen und sich tausend Mal entschuldigt, weil er nicht pünktlich zum Dienst erschienen war. Er hoffte, später kommen zu können. Entweder hatte er sich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen oder einen Virus eingefangen; jedenfalls war er nicht in der Lage, länger als fünfzehn Minuten ohne Toilette auszukommen.
Obwohl die anderen Polizisten durchaus kompetent waren und Jake mit ihnen sehr gut zusammenarbeitete, vermisste er seinen Partner bei der morgendlichen Dienstbesprechung in Captain Blakes Büro, an der Belk, Rosario, Rizzo und MacDonald teilnahmen.
Und Franklin. Der FBI-Mann ließ es sich nicht nehmen, ihnen wieder einmal ausführlich von seinen Erfahrungen mit seiner Organisation zu berichten, die er für ungleich wichtiger hielt. Dennoch konnte er ihnen an diesem Tag auch nicht viel mehr erzählen, als dass sie praktisch keine brauchbaren Hinweise hätten, obwohl er selbstverständlich im Computer des FBI recherchiert und mit Polizisten im ganzen Land gesprochen hätte, die jedoch auch noch keine Spur gefunden hatten. „Ehe das Mädchen nicht identifiziert ist“, meinte er schließlich, „kommen wir keinen Schritt weiter.“
Jake verkniff sich eine Bemerkung. Er warf einen Blick zu Rosario und hätte fast gegrinst, weil er davon überzeugt war, dass sie alle das Gleiche dachten.
Du Arschloch!
„Beim FBI gibts für diesen Fall bislang auch keine Lösung“, fuhr Franklin fort. „Da kann uns nur Ihre gründliche Ermittlungsarbeit weiterhelfen.“
Jake wurde wütend. Soviel er wusste, lag dieser Fall immer noch im Zuständigkeitsbereich der Polizei von Miami-Dade. Die herablassende Art dieses Mannes ging ihm mächtig gegen den Strich.
Er erhob sich, hielt sich aber zurück.
„Ja, Jake?“ fragte Captain Blake, der an seinem Schreibtisch lehnte und ihm einen warnenden Blick zuwarf.
„Special Agent Franklin hat vollkommen Recht“, hörte Jake sich sagen. Er zwang sich, höflich zu klingen. „Gentlemen, gehen wir also zurück an die Arbeit.“
Blake wusste, wie Jake zu Franklin stand, und musste innerlich grinsen. Er war also nicht nur ein guter Detective, sondern dazu noch ein exzellenter Schauspieler.
Sobald die Besprechung beendet war, verließ Jake Blakes Büro. Zuerst rief er in der Gerichtsmedizin an, anschließend bei Dr. Gannet. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass ihm noch genug Zeit blieb für einen Abstecher in den Süden des Landes, obwohl er für den Weg zur Leichenhalle, die später auf seinem Terminkalender stand, um einiges länger brauchen würde.
Mit einer entschlossenen Bewegung griff er nach seiner Jacke und Aktentasche und verließ sein Büro.
„Mr. Bordon?“
„Ja?“
Peter Bordon saß auf dem Sportplatz und nahm ein Sonnenbad. Der Wärter behandelte ihn sehr respektvoll. Die meisten Wachmänner verhielten sich ihm gegenüber ausgesprochen höflich. Warum auch nicht? Er war schließlich eine Respektsperson, und er verhielt sich vorbildlich.
„Da ist jemand am Telefon für Sie. Sie dürfen das Gespräch annehmen.“
„Wer ist es?“
„Ihr Cousin Richard. Es gibt einen Krankheitsfall in Ihrer Familie. Tut mir Leid, Ihnen das sagen zu müssen.“
„Ah ja.“
„Sie werden bald entlassen?“ fragte der junge Wärter.
„Wenn die Kommission sich für einen Hafturlaub ausspricht.“
„Dann drücke ich Ihnen die Daumen.“
„Vielen Dank, äh … Thomas, nicht wahr?“
„Richtig, Mr. Bordon.“
„Vielen Dank, Thomas.“
Der Wärter führte ihn zum Telefon.
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