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Am Anfang war die Nacht Musik

Am Anfang war die Nacht Musik

Titel: Am Anfang war die Nacht Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Walser
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Hause. So bald als möglich. Sie will nicht nach Hause. Sie will beim Doktor bleiben. Augen trainieren und Hände. Eine unvollständige Heilung ist keine Heilung.
    Auch so ein Satz, den sie von ihm übernommen hat. Doch seine Freude darüber wiegt bei Weitem die Wut nicht auf, die in ihm hochsteigt. So geballt jetzt, dass die Schläfen zu pochen beginnen. Er müsste längst fort sein. Aber er bleibt. Maria zuliebe.

Dreizehntes Kapitel
12. Mai 1777
    Es ist so weit. Marias Mutter steht vor der Tür. Hinter ihr ein hochgewachsener, kräftiger Diener. Sie wirkt klein. Dünn, verletzlich. Aber falsch. Da es Kaline nicht tut, muss Mesmer die beiden bitten. Mesmer bittet sie in den Salon. Kaline findet er, wo sie hingehört. In der Küche. Über einen Eimer gebeugt.
    Die Kartoffeln könne sie später schälen, sagt er und sieht, wie sie sich in den Eimer erbricht.
    Immer noch der Magen?
    Halb so schlimm, sagt sie.
    Wie lange das nun schon gehe?
    Keine Ahnung. Seit dem Schmarrn. Ein paar Tage.
    Sie solle den Gästen Tee bringen und etwas Süßes.
    Seiner Frau, Riedinger und dem Grafen Bescheid sagen und sich ins Bett legen.
    Er werde nach ihr schauen.

    Dass die Frau Hofsekretär ihre Tochter abholen will, bringt ihn nicht aus der Ruhe. Er hat es gewusst.
    Bitte. Wenn sie die Verantwortung tragen wolle.
    Welche Verantwortung?
    Dafür, dass sie einen Heilungsprozess unterbreche, erwidert er. Kurz vor der Vollendung.
    Der Doktor, sagt sie, macht immer so viele Worte. Mein Mann und ich, wir halten das für unnötig.
    Mesmer fügt hinzu, dass sie, wenn sie die Tochter mitnehme, bei einem künftigen Rückfall nicht auf ihn zählen könne.
    Bedauerlich, sagt sie, lässt sich aber ebenfalls nicht aus der Ruhe bringen.
    Nur Maria. Die wirft sich zu Boden. Und als schließe sich von ihrem ersten zu ihrem letzten Tag ein Kreis, kehren all die alten Symptome zurück. Die Krämpfe, die Zuckungen, die rollenden Augen.
    Mesmer ist bei ihr, legt ihr die Hand auf den Bauch, wie er es immer tut. Vielleicht ein Fehler.
    Die Mutter zitiert die Tochter zu sich. Die richtet sich auf, an Mesmer geklammert. Für die Mutter nur der Beweis, dass all die bösen Gerüchte stimmen.
    Maria stecke mit diesen Menschen hier unter einer Decke, schreit die Mutter und erwischt ihre Tochter an den Haaren. Reißt ihren Kopf nach hinten. Das Mädchen taumelt. Die Mutter stößt ihre Tochter von sich. Mit Wucht gegen die Wand.

    Der Krach lockt Riedinger an und den kräftigen Diener, der sich, die Ärmel aufkrempelnd, wieder hinter die Mutter stellt. Während Mesmer das ohnmächtige Mädchen an allen vorbeiträgt. Fort aus der Kampfzone. Hinüber ins Reich der Matratzen. Wo er ihr Magnete an Füße, Bauch und Brust bindet. Ihre Augen mit Seide bedeckt und mit dem magnetischen Streichen beginnt.
    Er lässt sich nicht stören. Auch nicht, als die Tür mehrmals aufgerissen und wieder zugeschlagen wird.
    Erst als der Zierdegen des Hofsekretär Paradis ihn knapp verfehlt, schaut er auf. Ein zweiter Stoß wird von Riedingerpariert. Dem in die Ecke gedrängten Hofsekretär zittert die Stimme. Mesmer zittern die Knie. Das Mädchen zittert nicht. Liegt da wie tot.
    Sollte sie die kaiserliche Gnadenpension verlieren, sei das allein Mesmers Vergehen. Und er müsse für den Verlust aufkommen. Er habe das Mädchen in Verwirrung gestürzt. Als sie hierherkam, war sie blind und konnte Klavier spielen. Jetzt ist sie blind und kann nicht mehr spielen.
    Von all dem bleibt nur eines bei Mesmer hängen: ein Gefühl der Schuldlosigkeit. Für Schuld gibt es keinen Grund. So wenig wie er Grund hat, noch länger zu bleiben.
    Nur eins, bevor er gehe, falls der Vater seine Tochter in diesem Zustand aus dem Haus transportiere, könne er, Mesmer, für nichts garantieren. Vor allem nicht dafür, dass das Fräulein dies überlebe.

Vierzehntes Kapitel
21. Mai 1777
    Mit der Dämmerung setzt das Gegurre ein. Die Taubenfamilie beginnt den Tag mit frühen, sanften Beratungen. Leise konferierende Vogelstimmen, eine Spur monoton, die sich über die geringsten Störungen jäh und heftig empören können. Wie die alten Weiber in St. Stephan. Die unablässig Gebete murmeln. Nie endende Klagen über den Zustand der Welt. Das verderbte Pflaster. Auf dem man nicht mehr weiß, wem überhaupt man noch trauen kann.
    Riedinger fällt ihr ein, der die Eltern-Attacke einen missglückten Entführungsversuch nannte. Und wie sie ihn anfuhr. Missglückt? Was daran denn missglückt sei? Ihre Gesundheit sei ihr

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