Am Dienstag sah der Rabbi rot
hat. Wollen Sie andeuten, dass Sie die Beschuldigung anders betrachten würden, wenn Sie der Richter wären?»
«Würde mir der Fall vorgetragen, könnte ich dies nicht als Beweis annehmen. Es steht im Gegensatz zum talmudischen Gesetz.»
«Da Roger Fine Jude ist», sagte Macomber, «läge wohl eine gewisse Gerechtigkeit darin, ihn nach talmudischem Recht zu behandeln. Also gut, wie würden Sie verfahren?»
«Ich würde erst seine Ankläger hören.»
«Aber das ist unmöglich. Sie sind beide –»
«Eben.»
«Aber hier ist sein eigenes Geständnis.»
«Ich könnte das nicht als Beweis werten. Nicht nach unserem Recht. ‹Keiner darf sich selbst einen Übeltäter nennen.› In unserem Strafrecht ist das ein grundlegendes Prinzip.»
«Wenn ich es mir genau überlege, trifft das für unsere ebenso zu», sagte Macomber.
«Nein, da gibt es einen Unterschied. Nach amerikanischem Recht kann ein Mensch nicht gezwungen werden, gegen sich selbst auszusagen. Nach jüdischem Recht kann er nicht gegen sich aussagen, selbst wenn er es möchte.»
«Aha, wenn Sie also in diesem Fall der Richter wären?»
«Würde ich die Klage abweisen», sagte der Rabbi prompt.
Macomber lächelte. «Das wäre ja nun wirklich ein Ausweg, aber trotzdem –»
«Trotzdem sind Sie nicht zufrieden?»
«Ja, das ist wahr.»
«Ich auch nicht», gab der Rabbi zu. «Vermutlich liegt das daran, dass wir es hier weniger mit einer Rechts- als mit einer Gewissensfrage zu tun haben. Ich glaube, ich habe es anfangs eine Sünde und nicht ein Vergehen genannt. Diese Sünde, einen Examenstext zu verraten – betrachten Sie, als Präsident des College, so etwas für unverzeihlich?»
«Keine Sünde ist unverzeihlich, würde ich sagen.»
«Was muss dann einer tun, um eine Sünde verziehen zu bekommen?»
«Das scheint mir mehr in Ihrer als in meiner Linie zu liegen, Rabbi. Vielleicht durch eine Beichte, durch Reue und das Versprechen, es nicht wieder zu tun.»
Der Rabbi begann zu strahlen. «Na, hat Fine das nicht getan?»
«Wann? Jetzt?»
«Nein, hier auf diesem Blatt Papier. ‹Ich gestehe hiermit aus freien Stücken› – das ist ein Geständnis. ‹Ich bedaure diese Handlung› – das ist Reue. ‹Und garantiere, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird› – das ist der dritte Punkt.»
Macomber erwog das. Dann lachte er leise. «Ja, ich glaube, das genügt. Und damit wäre auch das Problem der englischen Abteilung gelöst.» Er lehnte sich strahlend auf seinem Stuhl zurück. «Sagen Sie, Rabbi, vermutlich wollen Sie nicht mal ausprobieren, wie Sie sich als Dean machen? Oder etwa doch?»
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