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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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fügte selber dreißig hinzu. Kein anderer hat die dreißig Fragen vorher gesehen, nur Professor Fine. Er hatte die Aufgabe, die Prüfungsblätter zu vervielfältigen.»
    «Was ist mit Professor Hendryx’ Sekretärin?», fragte der Präsident.
    «Er hat keine. Außerdem hat mir Professor Hendryx bestätigt, die Matrize selbst geschrieben zu haben.»
    «Gut.»
    «Kathy Dunlop hat bei der Prüfung ein A geschrieben, womit sie in der Gesamtnote mit C minus abschnitt.»
    «Sie könnte ja auch sehr fleißig gearbeitet und sich verbessert haben», stellte der Präsident fest.
    «Professor Hendryx hat mit Mr. Bailen, ihrem Tutor, Rücksprache gehalten. Das Mädchen hat jede einzelne Frage richtig beantwortet. Mr. Bailen sagt, das hätte er selber nicht gekonnt. Fünfundachtzig richtige Antworten sind ein A; hundert ist noch nie da gewesen. Nach der ganzen Anlage dieser Art von Arbeiten kann praktisch niemand alle richtig beantworten.»
    «Schon gut. Aber warum nehmen Sie an, dass Professor Fine der Schuldige ist?», fragte Macomber. «Das Mädchen hätte ein schlecht abgezogenes Blatt aus dem Papierkorb nehmen oder von einem der Hausmeister bekommen können.»
    Dean Hanbury schüttelte den Kopf. «Professor Fine wurde eigens angewiesen, das automatische Zählwerk abzulesen, ehe er mit der Vervielfältigung begann, und dann noch einmal am Ende. Die Differenz der Zahlen betrug einhundertdreiundfünfzig, und das ist die genaue Zahl der Kopien, die er Professor Hendryx gegeben hat.»
    «Hm. Haben Sie mit Professor Fine gesprochen?»
    «Nein. Ich hielt das nicht für ratsam, ehe ich mit Ihnen gesprochen hatte. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass sich, laut Professor Hendryx, Professor Fine bei mehreren Gelegenheiten über die Unsinnigkeit von Examen ausgelassen hat.»
    «Oh, bei der Einstellung müsste Professor Fine bei seinen Studenten sehr beliebt sein», sagte Macomber sarkastisch.
    «Ich glaube, das ist er», bestätigte sie, «übrigens auch bei den jüngeren Mitgliedern des Lehrkörpers. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und gilt als engagiert. Das ist heutzutage das neue Wort – engagiert. Er war Führer der Bewegung zur Anwerbung schwarzer Studenten und hat sogar einen Fortbildungskurs für sie organisiert, den die jüngeren Professoren abgehalten haben. Von ihm stammt der Artikel in The Windrift , den ich Ihnen gezeigt habe. Erinnern Sie sich?»
    «O ja. Ist das der Rothaarige, der am Stock geht?»
    «Ja. Der. Er ist mitten im Jahr gekommen und hat einen Einjahresvertrag. Wenn Sie ihn also entlassen wollen, dürfte es mit dem Verband der Hochschullehrer keinen Ärger geben.»
    «Na, na», sagte Macomber, «nicht ganz so hastig. Dass er nicht auf Dauer angestellt ist und kein Recht hat, eine Anhörung zu verlangen, bedeutet noch lange nicht, dass es keinen Ärger gibt, wenn wir sie ihm verweigern. Sie sagen doch selbst, dass er bei den Studenten und jüngeren Lehrern sehr beliebt ist. Gerade so etwas kann aufgebauscht werden und zu Studentenprotesten führen. Ich brauche Ihnen ja nicht zu sagen, Millicent, dass das das Letzte ist, was wir jetzt, drei Tage vor Semesterbeginn, brauchen können.»
    «Aber ein Lehrer des College hat einem Studenten bei einem Betrug geholfen! Haben Sie eine Vorstellung, was passiert, wenn das herauskommt?»
    «Oh, ich glaube nicht, dass damit zu rechnen ist. Nicht wenn man in der richtigen Weise mit Professor Fine verhandelt. Ich meine, wir sollten es so machen …»
     
    Roger Fine, der im Besucherstuhl saß, wirkte völlig gelassen. Nur die Fingerknöchel der Hand, die den Stock umfassten, waren weiß. «Es ist Ihnen sicher klar, Miss Hanbury», sagte er, «dass Sie keinen stichhaltigen Beweis haben.»
    «Streiten Sie es ab?»
    «Ich streite nichts ab und bestätige nichts», sagte er gleichmütig. «Ich glaube nicht, dass ich überhaupt zu antworten brauche.»
    Dean Hanbury trommelte mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch, während sie ihre Gedanken sammelte. Endlich fuhr sie fort: «Ich habe nicht mit Miss Dunlop gesprochen – noch nicht. Ich bin aber überzeugt, dass sie, wenn man ihr sagt, sie müsse wegen ihres phänomenalen Abschlussexamens eine Zusatzprüfung ablegen, alles gestehen wird.» Sie wandte den Blick ab. «Soviel ich weiß, hat sie ein kleines Stipendium einer religiösen Sekte in Kansas, bei der ihr Vater Pfarrer ist.»
    «Was wollen Sie, Dean Hanbury?»
    «Na ja, wir möchten keinen Skandal», sagte sie, den veränderten Tonfall verzeichnend, «und wir

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