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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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«He, Slim, komm mal einen Moment. Ich möchte dich mit Rabbi Small bekannt machen. Er hat mich verheiratet.»
    Der junge Mann streckte die Hand aus. «Und jetzt kontrollieren Sie ihn, Rabbi?»
    «Slim Marantz ist auch an der englischen Abteilung», erklärte Fine. «Der Rabbi hat den Kurs über Jüdische Philosophie übernommen, Slim, und Millie hat ihn gerade mit Hendryx in ein Büro gesteckt.»
    «Das kann doch nicht dein Ernst sein?» Marantz lachte.
    «Und du hast gedacht, Millie hätte keinen Sinn für Humor», sagte Fine.
    Der Rabbi sah fragend von einem grinsenden jungen Mann zum anderen. Fine übernahm endlich die Erklärung. «John Hendryx hat seit zwei Jahren, seit er nach Windemere gekommen ist, um ein eigenes Büro gekämpft.»
    Marantz ergänzte das noch: «Er hatte strikte Einwände gegen das laute, freundliche Chaos im englischen Büro.»
    «Es erlaubt keine Konzentration», ahmte ihn Fine nach.
    «Und schafft ein total feindseliges Klima für alle seine klugen, hochfliegenden Manifeste über philosophische, psychologische und soziologische Themen.»
    «… und rassische, im Besonderen jüdisch rassistische», ergänzte Fine.
    «Stimmt. Als er kommissarischer Leiter der Abteilung wurde, das war zu Anfang des Sommersemesters, forderte er ein Privatbüro, und Millie Hanbury fand denn auch einen etwas groß geratenen Schrank für ihn im zweiten Stock. Sehr klein, aber sein.»
    «Das hat er wörtlich gesagt», erklärte Fine voller Entzücken. «Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass die Trauer über seinen Auszug aus dem englischen Büro nicht sehr lautstark war. Niemand hat ihm eine Petition geschickt, wieder zurückzukommen. Es gab auch keine schwarz umrandeten Resolutionen tiefsten Bedauerns.»
    «Um bei der Wahrheit zu bleiben», sagte Marantz, «es ist weder zwischen noch auf den Schreibtischen getanzt worden, aber es herrschte, im Rahmen akademischer Gemessenheit, überall stille Freude.»
    «Und nun erzählen Sie, Rabbi, dass Millie Sie mit ihm zusammengesperrt hat», sagte Fine. «Wundert es Sie, dass wir das lustig finden?»
    «Und ausgerechnet ein Rabbi!» Marantz schüttelte fassungslos den Kopf.
    «Was für eine Rolle spielt die Tatsache, dass ich ein Rabbi bin?»
    «Er ist ein antisemitischer Hund. Oh, ich meine nicht von der Sorte, die es mit den Weisen von Zion hat», sagte Fine. «Eher der Typ, der sagt: Einige meiner besten Freunde sind Juden.»
    «Das hat er mir heute Morgen erzählt», gab der Rabbi zu.
    «Na bitte!»
    «Ich fand das gar nicht beleidigend. Und im Übrigen werde ich das Büro nicht viel brauchen. Ich glaube kaum, dass wir uns oft begegnen werden.»
    «Verstehen Sie mich nicht falsch, Rabbi», sagte Marantz, «höflich ist er bestimmt. Im englischen Büro habe ich zwei Jahre lang Schreibtisch an Schreibtisch mit ihm gelebt, und es hat nie Krach gegeben. Andererseits hat unser lieber Fine ein aufbrausendes Temperament. Ich möchte wetten, Roger, dass es größtenteils auf dein Konto geht, wenn er unbedingt aus dem englischen Büro rauswollte. Es sei denn, er hätte eine private Bleibe gesucht, um junge Damen empfangen zu können.»
    «Um sie über das Versmaß bei Chaucer zu unterrichten?», fragte Fine lachend.
    «Bei der dunklen Brille, die er immer trägt, ist das schwer zu sagen, aber mir scheint, ich habe ein interessiertes Aufflackern entdeckt, wenn eine wohlgestaltete Kommilitonin vorüberschritt.» Er grinste von einem Ohr zum anderen. «Au! Könnte es etwa sein, dass er ein Auge auf Millie geworfen hat und darum in den zweiten Stock gezogen ist?»
    «Na, das wäre aber eine Sensation», sagte Fine kichernd und verstummte dann mit einem Schlag. «Vorsicht», sagte er, «da kommt sie.»
    Dean Hanbury kam geradewegs auf sie zu. «Da sind Sie ja, Rabbi. Ich wollte nur sichergehen, dass Sie wissen, wo die Konferenz stattfindet. Herzlich willkommen, Dr. Marantz und Professor Fine.»
    4
    Präsident Macombers sonst so heitere Züge verfinsterten sich beim Zuhören.
    «Es steht einwandfrei fest», sagte Dean Hanbury. «Es sind zwei Arbeiten im Kurs dieser Miss Dunlop geschrieben worden: Fragen, die beantwortet werden mussten, und sie hat beide verhauen – gründlich verhauen. Die Abschlussarbeit war für alle sieben Kurse ihrer Abteilung dieselbe; sie bestand aus hundert Fragen.»
    «Hundert?»
    «Ja. Es sollte ein objektiver Test sein – es ging um kurze, zwei, drei Worte umfassende Antworten. Die jeweiligen Kursleiter reichten zehn Fragen ein, und Professor Hendryx

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