Am Ende bist du mein
gewusst, dass bis zum nächsten Mal drei Jahre vergehen würden, hätte er sie versteckt gehalten und sich noch länger an ihr ergötzt.
Er war dumm gewesen. Sehr dumm.
Frustriert schaltete er den Fernseher aus und konzentrierte sich auf den neuen digitalen Camcorder, den er letzte Woche gekauft hatte. Er war nicht größer als seine Handfläche, hatte jedoch ein Vermögen gekostet, und der Junge in dem Elektronik-Laden hatte versprochen, dass er kristallklare Bilder produziere, die garantiert ein Leben lang halten würden.
«So klar, dass Sie die Poren auf einem Gesicht erkennen können», hatte der Junge gesagt.
Craig umschloss die Kamera und staunte, wie kompakt sie war. Technologie war doch eine feine Sache.
Er richtete das Objektiv auf die leere Kellerecke mit der Holzvertäfelung und der lose zusammengerollten Kette und drückte auf Aufnahme. Das grüne Lämpchen leuchtete auf. Ein paar Sekunden lang filmte er die Ecke, drückte auf Stop, spulte zurück und betrachtete die Aufnahme auf dem Display der Kamera. Der Junge hatte nicht gelogen. Das Bild war so scharf, dass er die Maserung des Holzimitats erkennen konnte und die Fasern des braunen Teppichs.
Craig warf einen Blick auf den neugekauften rosafarbenen Unterrock und die blonde Perücke. Er legte die Kamera weg, nahm die Perücke und strich über das echte Haar, das genau im richtigen Blond gefärbt worden war.
Stellte sich die Details vor, die er aufnehmen würde, wenn er die Nächste filmte. Dieser Kamera würde nichts entgehen, und die Bilder würden ihn für Jahre zufriedenstellen.
Dieses Mal,
dieses Mal
, würde er nichts überstürzen. Die Nächste würde er in Ruhe genießen.
Craig schaute zu dem Monatskalender hinüber, der an der Seite seines Aktenschranks hing. Vierundzwanzig rote X zogen sich über den September. Wie Feuer flammte die Vorfreude in ihm auf.
In nur drei Tagen war es so weit: Dann würde die Jagdsaison beginnen.
In nur drei Tagen würde die Bühne einer neuen Schauspielerin gehören, die seine süße Adrianna verkörpern durfte.
Eins
Dienstag, 26. September, 07.15 Uhr
Adrianna war in Eile. Auf dem Weg über den Flur stellte sie ihren Kaffeebecher ab, schlüpfte in ihre Leder-Slipper und streifte sich eine Jeansjacke über. Die Kontaktlinsen hatten ihr in den übermüdeten Augen gebrannt, also hatte sie die Brille aufgesetzt. Zum Schminken war keine Zeit gewesen: Wimperntusche und Lippenstift mussten genügen. Auch zum Frühstücken war sie nicht gekommen, aber wenigstens hatte sie einen Bananen-Muffin in ihre Handtasche gesteckt.
Am vergangenen Abend hatte sie noch vorgehabt, frühzeitig zu Bett zu gehen, um den heutigen Tag ausgeruht in Angriff nehmen zu können. Aber dann war der Anruf aus der Notaufnahme gekommen. Ihre Mutter war mit dem Krankenwagen eingeliefert worden und fürchtete, kurz vor einem Herzinfarkt zu stehen. Also hatte Adrianna sich wieder angezogen und war zum Krankenhaus gerast.
In den letzten Jahren hatte sie etliche Krankenhäuser von innen gesehen, und die Gerüche nach Desinfektionsmitteln hasste sie inzwischen ebenso sehr wie die piependen Monitore, die Besucher, die auf Stühlen herumrutschten, und das stundenlange Warten auf Testergebnisse. In einer Kabine der Notaufnahme fand sie ihre Mutter, die sich mit einer Krankenschwester stritt.
«Hallo, Mom.»
Der Zorn ihrer Mutter löste sich in Tränen auf. Adrianna warf der Krankenschwester einen entschuldigenden Blick zu, woraufhin diese sich dankbar verzog.
«Alles wird gut, Mom. Mach dir keine Sorgen.»
Die Nacht hatte Adrianna im Krankenhaus verbracht, auf einem harten Stuhl, am Bett ihrer schlafenden Mutter. Die unbeantworteten Fragen, der Streit früher am Tag, lag wie ein Keil zwischen ihnen, so wie es in den ganzen letzten neun Monaten gewesen war.
«Warum hast du mir nur nie gesagt, dass ich adoptiert worden bin?»
«Das weiß ich nicht. Es tut mir leid.»
Um fünf Uhr morgens hatte ein Arzt Adriannas Mutter für gesund erklärt und in der Lage, wieder nach Hause zu gehen. Sie habe lediglich einen Panikanfall gehabt.
Adrianna fuhr ihre Mutter nach Hause, wo Estelle, die Haushälterin, übernahm. Adrianna kehrte in ihr Haus zurück und wusch sich unter der Dusche die Krankenhausgerüche vom Körper und aus den Haaren. Danach war es kurz vor sieben.
Und jetzt war sie zu spät dran.
Sie schnappte sich ihren Kaffeebecher und riss die Haustür auf. Ein sonniger Morgen, bestimmt schon zwanzig Grad – feuchte Luft, drückend
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