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Am Ende bist du mein

Am Ende bist du mein

Titel: Am Ende bist du mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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Steuer an, begleitet von weiteren Fotos von Craig vor und nach dem Unfall. Ihr Publikum betrachtete sie stumm und mit weit aufgerissenen Augen. «Wenn ihr möchtet, könnt ihr mir jetzt Fragen stellen», schloss Adrianna.
    Es dauerte einen Moment, doch dann zeigte die erste Hand auf. Ein gutaussehendes Mädchen fragte: «Wer war die Betrunkene, die in Ihren Wagen gerast ist?»
    «Eine zweiunddreißigjährige Krankenschwester. Eine hübsche, kluge und beliebte junge Frau.»
    «Wer stellt denn eine Krankenschwester ein, die trinkt?», rief jemand.
    «Zur Arbeit ist sie immer nüchtern erschienen», erwiderte Adrianna. «An dem Tag, an dem sie auf unseren Wagen geprallt ist, hatte sie eine lange Schicht in der Notaufnahme hinter sich. Und da sie geholfen hatte, ein Kind zu retten, wollte sie sich auf dem Heimweg mit einem Glas in ihrer Lieblingsbar belohnen. Aus dem einen Glas sind dann zehn geworden. Die rote Ampel hat sie danach nicht mehr wahrgenommen.»
    «Was ist aus ihr geworden?», rief eine andere Stimme.
    «Sie wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Es war das dritte Mal, dass sie wegen Trunkenheit am Steuer gefasst wurde. Wäre mein Mann am Unfallort gestorben, hätte man sie wegen Totschlag zu zehn Jahren verurteilen können.»
    Adrianna betrachtete die jungen bestürzten Gesichter vor ihr und hoffte, wenigstens einige unter ihnen würden sich auch am nächsten Tag noch an ihre Worte erinnern.
    Hinterher begleitete Norton Adrianna hinaus zu ihrem Wagen. «Ich danke Ihnen», sagte er. «Das war sehr eindrucksvoll.» Er blieb stehen. «Darf ich Ihnen vielleicht auch eine Frage stellen?»
    «Sicher.»
    «Wissen Sie, ob die Fahrerin anschließend mit dem Trinken aufgehört hat? Wie man so liest, soll es ja selbst im Gefängnis Alkohol geben.»
    «Sie hat mir gesagt, sie hätte aufgehört.»
    Verblüfft sah Norton sie an. «Soll das heißen, dass Sie mit ihr sprechen?»
    «Nein, aber sie hat mir geschrieben, und ich habe ihr geantwortet.»
    «Mein Gott», sagte Norton fassungslos. «Was kann so jemand denn überhaupt noch zu sagen haben.»
    Adrianna setzte ihre Sonnenbrille auf. «Sie möchte, dass ich ihr verzeihe.»
    «Ist so etwas denn jemals möglich?», fragte Norton kopfschüttelnd.
    «Es ist ein langsamer Prozess», entgegnete Adrianna und verabschiedete sich dann.
    Ehe sie den Wagen startete, ließ sie sich Nortons letzte Frage noch einmal durch den Kopf gehen. Ja, es gab Tage, an denen sie ein Verzeihen für möglich hielt. Doch wenn sie an ihr Baby dachte und das, was ihr entgangen war – der erste Geburtstag, die ersten Worte und Schritte   –, dann stellte sie fest, dass dem nicht so war.
     
    Tess klemmte sich den Motorradhelm unter den Arm und stieß die Tür zur Gerichtsmedizin auf.
    Seit zwei Wochen war dies ihr erster freier Tag. Wenn sie noch bei Verstand wäre, dachte sie, oder so etwas wie ein Privatleben hätte, würde sie jetzt einen Einkaufsbummel machen, gekrönt von einer Maniküre und Massage, oder sich wenigstens mit einer Freundin zum Lunch treffen.
    Aber irgendetwas schien bei ihr nicht in Ordnung zu sein, dass sie es nicht einmal schaffte, auch nur eins von diesen Dingen zu tun. Deshalb hatte sie keine schicke Garderobe,keine gepflegten Fingernägel und verkrampfte Muskelpartien. Offenbar war die Arbeit ihr Leben. Nur wenn sie arbeitete, fühlte sie sich wohl. Es war der Fluch, unter dem sämtliche Mitglieder ihrer Familie zu leiden hatten. Für Zack war der Job wie eine Droge gewesen, bis er und seine Frau ihr erstes Kind bekommen hatten, aber sie selbst und ihr Bruder Malcolm waren noch immer hoffnungslos ihrem Beruf verfallen. Es hatte sie nicht nur jede Menge Schlaf gekostet, sondern auch Freundschaften und Liebesbeziehungen. Aber so war das nun mal. Selbst nachts verfolgte die Arbeit Tess noch in ihren Träumen.
    Sie war vor der Schwingtür zum Obduktionssaal angekommen und blieb zögernd stehen. Ob es Alex überhaupt passen würde, wenn sie so mir nichts, dir nichts erschien? Eigentlich hatte er genug zu tun und brauchte niemanden, der ihm im Weg stand und ihn mit Fragen löcherte. Andererseits war sie jetzt schon mal hier, und wie ihre Mutter immer sagte, «dem Mutigen gehört die Welt».
    Tess fand Alex im Obduktionssaal. Er beugte sich gerade über eine Leiche auf dem Untersuchungstisch und war in die Betrachtung des Gehirns versunken. Ihm gegenüber stand seine Assistentin, eine rundliche Blondine namens Kathleen oder Kate, beide trugen Schutzanzüge, Gummihandschuhe

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