Am Ende bist du mein
mit Vega zu Mooney’s Auktionshaus, wo die Gemälde der Thorntons mittlerweile lagerten.
«Wenn du mich fragst, ist das eine Schnapsidee», erklärte Vega, als sie vor dem Gebäude standen.
«Sie anzusehen, kostet doch nichts.»
«Du hast doch von Kunst überhaupt keine Ahnung.»
«Ich will ja nichts kaufen.»
«Und Thornton ist tot. Selbst wenn er der Mörder war, kannst du ihm nicht mehr ans Leder.»
«Trotzdem würde ich es gern beweisen.» Du willst es Adrianna beweisen, flüsterte eine kleine Stimme in Gages Ohr. Damit sie weiß, wie falsch ihre Entscheidung für Craig damals gewesen ist.
Sie wurden von einem Mann namens Kingsley Willard begrüßt, seines Zeichens Kunstexperte und Auktionator. Er wirkte noch recht jung, höchstens Anfang dreißig, doch seine grauer Anzug, das weiße Hemd mit Fliege und die Schildpattbrille ließen ihn ein wenig gesetzter erscheinen. «Da entlang», sagte er. «Wir haben die Gemälde bereits geschätzt und für die Auktion nächste Woche vorbereitet.»
«Wird das eine große Auktion?», erkundigte sich Gage.
«Mittelprächtig. Keins der Gemälde wird einen Sensationspreis erzielen. Vielversprechend sind lediglich ein paar frühe Thomas Coles und John Singleton Copleys.» Willard öffnete eine Tür.
«Wer sind diese Typen?», raunte Vega Gage ins Ohr.
Willard drehte sich um, verzog aber keine Miene. «Amerikanische Maler aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Vorrangig für Landschaften und Porträts bekannt. Etliche ihrer Gemälde sind ausgesprochen wertvoll, doch bei denjenigen in der Thornton-Sammlung handelt es sich um sehr frühe Werke, die leider weniger begehrt sind.»
«Aha», sagte Vega. «Und was heißt das in Dollar?»
«Falls wir die Sammlung komplett verkaufen und ordentlich geboten wird, schätze ich den Erlös auf eine Million.»
Vega stieß einen Pfiff aus. «Nettes Sümmchen.»
«Durchaus.» Als Nächstes zeigte Willard ihnen die einzelnen Gemälde und schilderte in knappen Worten Herkunft und geschätzten Wert. Bei den meisten begriff Gage nicht, weshalb überhaupt jemand etwas dafür zahlen wollte, behielt es aber für sich. Dann waren sie an dem letzten Gemälde angelangt. Wie gebannt blieb Gage stehen und starrte auf ein Bild von Adrianna, in leichtem blauem Kleid, mit offenem Haar, Perlenkette und Perlenohrringen.
«Eine hinreißende Frau, nicht wahr?», sagte Willard.
Gage löste sich aus seiner Starre. «Warum verkauft sie es?»
«Sie sagt, sie habe dafür keinerlei Verwendung mehr. Anscheinend hat sie sich nur ihrer Schwiegermutter zuliebe malen lassen. Es war wohl eine Familientradition, dass jede Frau der Thorntons gleich nach ihrer Eheschließung porträtiert wurde.»
«Was, glauben Sie, wird es einbringen?»
«Na, ich rechne so mit zwanzigtausend. Der Maler ist imKommen, und Ms. Barrington ist eine schöne Frau. Fast bin ich geneigt, es selbst zu erstehen.»
Zwanzigtausend! Gage schluckte. Selbst wenn er das Gemälde noch so gern für sich gehabt hätte, zwanzigtausend waren nicht drin.
«Ist Ihnen an den Bildern irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen?», fragte er, ohne den Blick von Adriannas Bild zu lösen.
Willard lachte auf. «Was denn? Vielleicht eine Geheimbotschaft, die auf einer der Rückseiten klebte? Nein, da muss ich Sie leider enttäuschen.»
Gage wollte sich gerade abwenden, als es ihm ins Auge sprang. «Vega», sagte er. «Sieh dir das mal an.»
«Wie lange denn noch?», fragte Vega. «Okay, sie ist eine tolle Frau.»
«Schau dir die Hand an.»
«Das ist eine ganz typische Haltung», bemerkte Willard. «Die Hand auf dem Herzen ist ein Zeichen für Liebe.»
«Oh», sagte Vega. «Ja, richtig. Genau wie bei den –» Er brach gerade noch rechtzeitig ab. «Also, einfach typisch, sieht man doch gleich.»
Wenig später bedankten sie sich bei Willard und kehrten zu ihrem Wagen zurück.
Dann hatte Tess doch vielleicht richtig gelegen, dachte Gage. Der Mörder hatte die Hände seiner Opfer nach einem Bild angeordnet, möglicherweise sogar dem von Adrianna.
Sechzehn
Freitag, 29. September, 12.30 Uhr
Adrianna hatte sich mit ihrem Anwalt zum Lunch verabredet. Seit zwanzig Jahren hatte Reese Pearce die Interessen der Familien Thornton und Barrington vertreten. Auch Adrianna schätzte den Mann, der ihr im grauen Anzug, maßgeschneiderten weißen Hemd und gelber Seidenkrawatte gegenübersaß. Er hatte ihr geholfen, den Verkauf des Thornton-Besitzes abzuwickeln, und war für sie ein treuer
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