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Am Ende der Angst

Am Ende der Angst

Titel: Am Ende der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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demnächst unsere Eltern einladen? Es würde mich freuen, deine mal kennenzulernen. Du kennst meine ja schon. Ich weiß, du bist kein großer Familienmensch, aber meine Mutter möchte uns gern wieder besuchen, und da würde es sich anbieten, auch deine einzuladen. Das wäre sozusagen ein echtes Familientreffen. Nur für einen Abend. Na, was hältst du davon?«
    Ich musste sie völlig entgeistert angesehen haben, denn sie verdrehte die Augen. »Warum nicht? Wir kennen uns inzwischen schon über ein Jahr. Meinst du nicht, es wird mal Zeit, auch die Eltern zusammenzubringen?«
    »Warum muss das gerade jetzt sein?« Ich versuchte, meine Miene in den Griff zu bekommen.
    »Jetzt ist so gut wie jeder andere Zeitpunkt. Warum passt es dir nicht?«
    Es gab offiziell keinen Grund, warum mir gerade jetzt nicht nach Familie zumute war. Dennoch… »Ich habe gerade extrem viel Stress im Job. Ein anderes Mal wäre besser.«
    Sie setzte ein reuiges Lächeln auf. »Tut mir leid, Schatz, aber ich habe sie schon eingeladen. Dein Vater hatte doch neulich angerufen und seine neue E-Mailadresse durchgegeben. An die habe ich die Einladung geschickt. Ich dachte, es wäre okay für dich.«
    Verdammt. Ich legte meine Gabel zur Seite. »Nein, es ist nicht okay für mich. Wie kommst du darauf? Ich will gerade mit nichts und niemandem etwas zu tun haben, auch nicht mit meinen Eltern.«
    »Mit mir auch nicht?« Erschrocken sah sie mich mit großen Augen an.
    »Mit dir schon«, sagte ich, aber es klang lahm. So lahm, dass sie blass wurde.
    »Oh, das wusste ich nicht.« Sie stand auf und ging aus dem Zimmer.
    Ich folgte ihr. »Ich habe mich eben ungeschickt ausgedrückt. Fiona, bitte. Ich habe nur wirklich gerade Stress und brauche etwas Ruhe. Deshalb will ich heute auch nicht ins Kino. Das hat nichts mit dir zu tun.«
    Sie sah mich an, als würde sie mir kein Wort glauben, aber mit aller Macht versuchen, mir zu vertrauen.
    »Bitte, Fiona, nimm es nicht persönlich. Es ist gerade alles etwas viel.«
    Sie nickte und wischte mit dem Handrücken unter ihrer Nase lang. Ich mochte an ihr, dass sie so natürlich war, ohne gestickte Taschentücher  und Prada-Handtäschchen. Ich wollte ihre Hand nehmen, doch sie riss sich los.
    »Da ich dir offensichtlich zu viel bin, werde ich dich heute Abend in Ruhe lassen und mit Diane und Kate ins Kino gehen.«
    Mit einer halben Drehung wandte sie sich ab, nahm ihren Mantel von der Garderobe und ließ die Wohnungstür ins Schloss fallen.
    Ich blieb allein zurück, mit den halb geleerten Tellern und einem bitteren Nachgeschmack im Mund. Sie verbrachte einen Abend mit ihren Freundinnen, das bedeutete noch lange nicht das Ende. Aber wenn ich nicht aufpasste, würde es über kurz oder lang irgendwann kommen. Und wenn ich ihr die Wahrheit sagte, vermutlich wesentlich früher als mir lieb war.
    Ich warf das übrig gebliebene Essen in den Müll und ging ins Wohnzimmer. Als Fiona gegen Mitternacht wiederkam, schlief ich bereits.
     
    ***
     
    Fionas Dienst begann am nächsten Morgen zwei Stunden vor meinem. Ich wachte auf, als ich die Tür klappern hörte. Die Erinnerung an den vergangenen Abend hatte ein pelziges Gefühl in meinem Mund hinterlassen, das ich schnell mit einem Schluck Kaffee hinunterspülte. Dann zog ich mich an und verließ das Haus, obwohl ich noch reichlich Zeit hatte. An der Ecke kaufte ich beim indischen Minimarket einen Strauß Blumen, dann schwang ich mich auf mein Motorrad und fuhr zum Polizeirevier.
    Das Gebäude war kein Hochsicherheitstrakt, aber wer sich unbefugt Zutritt verschaffen wollte, hatte es nicht leicht. Am Eingang saß ein Pförtner, der jeden kritisch musterte, und die Türen öffneten sich nur mit persönlichen Keycards. Als ich Dick, dem hageren Mann in der Pförtnerloge schilderte, warum ich zu meiner Freundin wollte, ließ er mich mit einem Schmunzeln passieren. Er kannte mich bereits, da ich Fiona schon das eine oder andere Mal abgeholt und auch durch meinen Job schon öfter in diesem Revier zu tun hatte.
    Schließlich stand ich vor Fionas Schreibtisch in ihrem Büro und hielt ihr den Blumenstrauß hin. Überrascht sah sie auf, noch bevor ich eine Entschuldigung stammeln konnte, huschte für einen Augenblick ein Lächeln über ihr Gesicht, das aber sofort wieder verschwand und einem tadelnden Blick Platz machte.
    »Es tut mir leid, dass ich mich gestern wie ein Vollidiot benommen habe«, sagte ich und setzte meinen Dackelblick auf, der mir in meiner Jugend eine Menge weibliche Fans

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