Am Ende der Angst
Bissspuren von den Löwen, ich bin mir aber sicher, dass diese postmortal zugefügt wurden.«
»Sie?«, fragte Fiona.
»Ja, es ist eine Frau. Sowohl am Becken als auch an der Schädelform zu erkennen. Noch jung, etwa Mitte Zwanzig. Mehr kann ich erst einmal nicht sagen. Wir werden die DNS untersuchen und nach Drogen und Giften suchen, aber das dauert noch.«
»Wann ist es passiert?« Wieder konnte ich mir eine Zwischenfrage nicht verkneifen.
»Im Laufe der Nacht, das ist schwierig zu bestimmen, aber wenn der Löwe Fleischbatzen ausgebrochen hat, kann er sie ja erst kurz vorher zu sich genommen haben.«
»Das meinte ich nicht. Kann man sagen, wie lange sie schon tot war, bevor sie gefressen wurde?«
»Ja, kann man. Sie war entweder frisch aus der Kühltheke oder ist nur wenige Stunden nach ihrem Tod verfüttert worden.«
»Verfüttert worden?« Fiona wirkte verdutzt. »Das wissen wir nicht.«
»Nein, das wissen wir nicht. Aber wie soll es sonst gewesen sein? Ein Killer tötet sie im Zoo und sie fällt im Sterben aus Versehen zu den Löwen?«
»Das ist möglich.«
Kate wiegte den Kopf. »Ja, das ist möglich. Aber wie dem auch sei, mehr kann ich euch momentan nicht sagen. Ich melde mich, wenn es weitere Ergebnisse gibt.«
»Danke.«
Ich bedankte mich ebenfalls und verließ mit Fiona die kühlen Räume der Gerichtsmedizin, um vor dem Polizeigebäude stehenzubleiben.
»Und? Was machst du jetzt?«, fragte mich meine Freundin.
Ich zog die Augenbrauen nach oben und öffnete den Mund, um etwas Sarkastisches zu antworten, weil sie mich offensichtlich loswerden wollte, doch in diesem Moment kamen mehrere Polizeiwagen vorgefahren. Aus einem stieg Burt mit dem Alkohol liebenden Zoowärter Paul Soderman am Arm. Letzterer trug Handschellen und sah dermaßen unglücklich aus, dass er mir schon fast leid tat. Aber dieses eine Mal musste ich den Beamten von der Polizei Recht geben. Auch mir kam Paul Soderman verdächtig vor. Ich war mir nur nicht sicher, ob er die Frau wirklich erschossen hatte.
Revierkämpfe
Nachdem sich Fiona von mir verabschiedet und mich daran erinnert hatte, dass ich pünktlich zu Hause sein solle, weil heute Abend unsere Eltern zu Besuch kämen, ging ich in den nächsten Supermarkt und kaufte zwei Sixpacks Bier. Danach setzte ich mich in den Bus und fuhr zum »Sommerabend«.
Skye hatte gerade ihren Dienst begonnen und zeigte wieder ihr Lächeln. Als sie mich sah, vertiefte es sich, so dass ich schnell cool mit dem Kopf nickte und mich an einen Tisch in der hintersten Ecke setzte. Dort packte ich meine Bierbüchsen aus, die wie Kuchenkrümel die Wespen sofort mehrere Obdachlose anzog, die mich umdrängten. Als kein Bier mehr übrig war, wartete ich noch ein Weilchen, bis sich Skye zu mir gesellte.
Sie lächelte wieder, doch dieses Mal wirkte es anders, als wäre es persönlich. Es verschwand allerdings, als sie zu sprechen begann.
»Es ist wieder ein Mädchen verschwunden. Ihr Name ist Rose. Sie stand gestern und heute nicht an ihrem Stammplatz und kam auch nicht hierher.«
»Wer weiß, vielleicht macht sie ein paar Tage Urlaub und taucht morgen oder übermorgen wohlbehalten wieder auf.« Ich versuchte meiner Stimme Leichtigkeit zu geben, damit sie erneut lächelte. Aber es funktionierte nicht. Vielleicht weil ich selbst nicht an das glaubte, was ich ihr einzureden versuchte.
»Diese Mädchen machen keinen Urlaub. Und wenn, dann hätte Rose es überall erzählt.«
»Der Jäger, der Verdächtige im Mordfall Loreen, ist noch in Haft, er kann es nicht gewesen sein. Vielleicht schläft sie nur irgendwo einen Kater aus. Sie wird schon wiederkommen.«
Sie nahm mir meinen Optimismus noch immer nicht ab. »Das kann sie sich gar nicht leisten, ein, zwei Tage nicht zu arbeiten. Ich denke, ihr ist auch etwas passiert.«
Ich überlegte für einen Moment. Fiona war noch nicht zu Hause, ich hätte noch Zeit, für Skye ein paar Nachforschungen auf der Straße anzustellen. Denn auch mir gefiel die ganze Geschichte inzwischen ganz und gar nicht. Eine tote Nutte auf der Müllkippe, eine tote Frau im Löwenkäfig, beide waren erschossen worden. Wenn es da keinen Zusammenhang gab, fraß ich meine Motorradkleidung.
Ich versprach Skye, mich auf der Straße nach Rose zu erkundigen und verließ das Asyl.
Es war ein lauer Sommerabend. In den besseren Teilen der Stadt herrschte eine rege Betriebsamkeit mit ein paar vereinzelten Touristen, einkaufenden Hausfrauen und Businessmännern in der Rush Hour zum
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