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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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schleuderte den feuchten Brocken in den Rinnstein und fischte mit den geübten Bewegungen eines Menschen, der das schon oft einhändig gemacht hat, eine runde Dose Skoal-Tabak mit Minzgeschmack aus der Hosentasche. Er nahm den Deckel ab und schob sich ein frisches Stück in den Mund. Ich hatte rauchlosen Tabak nie gemocht, aber jetzt reizte der Geruch meine Sinne. Da mir wieder einfiel, wie gut sich der Nikotinschub von Tonys Zigarette angefühlt hatte, überlegte ich, ob ich mir von Clay eine Portion schnorren sollte. Doch dann entschied ich mich dagegen. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, waren eine Übelkeitsattacke durch den Skoal und ein zwanzigminütiger Kotzanfall hinter dem Einkaufszentrum.
    »Du solltest dich besser etwas zurückhalten mit dem Zeug«, sagte Drew mahnend zu Clay. »Was machst du, wenn es dir ausgeht?«
    »Das wird noch eine Weile dauern. Ich habe mir jede Menge Dosen aus dem Supermarkt und von der Tankstelle geholt. Und mein Nachbar Dale hat den auch benutzt. Er war einer von denen, die nie zurückgekommen sind, also bin ich gestern Abend in sein Haus gegangen und habe mir seinen Vorrat auch noch geholt.«
    »Du bist bei deinem Nachbarn eingebrochen?«, fragte Cranston.
    »Gott, nein. Dave hatte immer einen Ersatzschlüssel unter einem der Gartenzwerge deponiert, die er in seiner
Hecke aufgestellt hat. Ich habe den Schlüssel benutzt. Er hat seinen Skoal immer im Kühlschrank aufbewahrt, damit er frisch bleibt. Der hat das Thema Tabak echt ernst genommen. Wahrscheinlich hätte er gewollt, dass sein Vorrat ein gutes Zuhause findet.«
    Drew schüttelte den Kopf, als fände er das, was er da hörte, beschämend, doch das Grinsen auf seinem Gesicht sagte etwas anderes. »Stiehlt Tabak aus anderer Leute Häusern. Was ist nur aus dieser Welt geworden?«
    »Ich habe doch gerade erklärt, dass ich ihn nicht gestohlen habe, oder?«
    »Schon, aber es ist auch nicht so, als hättest du Dale vorher um Erlaubnis gefragt.«
    »Stimmt«, gab Clay zu. »Aber eines kann ich dir garantieren. «
    »Und das wäre?«, fragte Drew und zog an der Leine seines Hundes.
    »Ich garantiere dir, dass mir die Vorräte so bald nicht ausgehen werden.«
    »Hoffentlich. Wenn du auf Nikotinentzug bist, benimmst du dich wie ein Bär mit wundem Arsch.«
    »Leck mich.«
    Ich verkrampfte mich, da ich damit rechnete, dass sie jetzt aufeinander losgehen würden, aber es geschah nichts. Sie stichelten und ärgerten sich, wie alte Freunde es immer tun, aber wenn sie ebenfalls unter diesen seltsamen emotionalen Schüben litten, die wir alle schon erlebt hatten, zeigten sie es nicht.
    Russ und ich gingen hinter den beiden. Cranston ließ sich zurückfallen, um sich Ms. Stevens (die uns gebeten
hatte, sie Olivia zu nennen), Clevon und Anna anzuschließen, die dicht hinter uns liefen. Clevon ging es nicht besonders gut. Er atmete schwer und fragte immer wieder, ob wir nicht anhalten und eine Pause einlegen könnten. Wenn man bedachte, womit er sein Geld verdiente, bestand seine körperliche Ertüchtigung wohl hauptsächlich darin, dass er Kaffeebecher stemmte und tippte. T, Irish, Stan the Man, Mad Mike und Mario bildeten das Schlusslicht. Diese Mission war so ernst, dass Mario sogar sein Videospiel weggepackt hatte.
    Cranston fing an, leise und falsch eine Melodie zu summen. Nach ungefähr einer Minute erkannte ich sie, es war ein Song von John Prine. Ich wusste nicht mehr genau, wie er hieß, aber es war eines der Lieder, die meine Mutter immer gehört hatte. Das machte mich traurig. Plötzlich vermisste ich sie schrecklich. Dann wanderten meine Gedanken zu meinem Großvater – und zu dem, was ich in der Dunkelheit gesehen hatte, etwas, das vorgegeben hatte, sein Geist zu sein. Am liebsten hätte ich geschrien. Cranston musste meine Stimmung gespürt haben, denn er hörte auf zu summen.
    Die drei Hunde hatten die Nasen ständig am Boden und ignorierten alles außer den knappen Befehlen ihrer Herren. Hin und wieder zogen sie an den Leinen und wollten einer Duftspur folgen, aber Drew und Clay hielten sie jedes Mal zurück. Den Hunden schien die Dunkelheit nicht sonderlich viel auszumachen, aber als wir uns dem Stadtrand näherten, merkte ich, wie sie langsamer wurden und nicht mehr auf eigene Faust herumschnüffeln wollten. Stattdessen hielten sie sich dicht
bei ihren Besitzern. Ihre Schwänze bewegten sich nicht mehr, und sie ließen die Ohren hängen.
    Russ beugte sich zu mir rüber und flüsterte: »Dir ist bewusst, dass wir

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