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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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schloss die Tür hinter mir. Anschließend verschwand er im Schlafzimmer. Ich hörte, wie er gefühlte zehn Minuten lang
herumkramte, und wollte ihn schon fragen, was zur Hölle da so lange dauerte, als er plötzlich wieder auftauchte. Er trug beide Pistolen und hatte sich ein Gewehr mit Zielfernrohr über die Schulter gehängt. Außerdem hatte er Jeans, schlammverklebte Arbeitsstiefel und ein Flanellhemd angezogen. Er reichte mir wortlos die Pistole und ließ ein paar zusätzliche Patronen in meine Hand fallen.
    »Danke.« Die Pistole war bereits geladen. Ich steckte die Reservemunition ein und deutete mit dem Kopf auf das Gewehr. »Wo hast du das denn her?«
    »Von draußen. Habe es auf der Straße gefunden.«
    Russ ging nicht näher darauf ein, und ich fragte nicht weiter. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er nicht darüber sprechen wollte.
    »Ich komme mit«, verkündete er stattdessen.
    »Danke für das Angebot, aber das kann ich nicht von dir verlangen, Mann.«
    »Du verlangst es nicht. Ich befehle es dir. Und jetzt los.« Er schaute auf meine Füße. »Allerdings solltest du vorher vielleicht noch Socken und Schuhe anziehen.«
    Ich sah nach unten und stellte fest, dass ich barfuß war. Vor lauter Sorge um Christy hatte ich das gar nicht bemerkt. Wir verließen die Wohnung, und Russ sperrte die Tür hinter uns ab. Dann zog ich mir Schuhe an, und er ging vor nach unten, um Cranston zu holen. Ich habe nie herausgefunden, was er zu Cranston gesagt hat, um ihn davon zu überzeugen, dass er mitkommen musste, aber ich war dankbar dafür. Die beiden warteten in der Eingangshalle auf mich. Cranston trug Russ’ zweite Pistole. Russ hatte das Gewehr von der Schulter genommen,
hielt es in beiden Händen und spähte auf die Straße hinaus. Cranston nickte mir kurz zu. Ich erwiderte den Gruß.
    »Danke, dass du das tust«, sagte ich zu ihm.
    »Kein Problem, Mann. Hoffen wir einfach, dass es nicht so endet wie letztes Mal, nicht?«
    »Alles klar.«
    »Die Luft ist rein«, meldete sich Russ. »Die Straße ist leer. Von Christy ist allerdings auch nichts zu sehen.«
    »Sie will ins Stadtzentrum«, erklärte ich den beiden. »Zur Zoohandlung. Wisst ihr zufällig, wo die ist?«
    Russ zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich nicht.« »Ich schon«, meinte Cranston. »Da habe ich mir mal einen Nilwaran gekauft. Den habe ich Jerry getauft, nach Jerry Garcia.«
    »Nach wem?«, fragte ich.
    »Jerry Garcia – von Grateful Dead, Mann.«
    Ich zuckte lässig mit den Schultern. »Ich glaube, meine Großeltern standen auf die.«
    Russ grinste. »Ich wusste gar nicht, dass du dir eine Echse hältst, Cranston.«
    »Inzwischen nicht mehr. Er ist vor ungefähr einem Jahr ausgebüchst.«
    »Hier im Gebäude?« Russ sah sich um, als würde der Waran noch irgendwo lauern.
    »Nein«, beruhigte Cranston ihn. »Im Park. Im Sommer habe ich ihn da öfter hingebracht. Er hat die Sonne geliebt. Und eines Tages hat er sich von seiner Leine befreit.«
    »Du hast ihn an einer Leine geführt?«

    Cranston nickte. »Wie einen Hund.«
    »Ist die Luft noch rein?«, unterbrach ich die beiden.
    Russ streckte den Kopf aus der Tür und sah nach. »Jawohl. «
    »Dann lasst uns gehen. Wenn wir uns beeilen, können wir sie noch einholen.«
    Nachdem wir unsere Taschenlampen eingeschaltet hatten, gingen wir in die Dunkelheit hinaus und liefen nebeneinander die Straße hinunter. In nur wenigen Tagen hatte sich eine Menge verändert. Die Bürgersteige und Straßen waren voller Glasscherben, Müll, leerer Patronenhülsen, zerfetzter und verdreckter Kleidungsfetzen und anderem Unrat. Viele Autos, die am Straßenrand standen, hatten eingeschlagene Windschutzscheiben oder aufgeschlitzte Reifen. Ein paar standen sogar auf Blöcken, weil ihre kompletten Räder geklaut worden waren. Ich fragte mich, wer in dieser Situation noch darauf aus war, teure Reifen zu stehlen. Schließlich war es nicht so, als könnte man die noch irgendwo verkaufen. Was wollte der Dieb also damit? Sie auf sein eigenes Auto aufziehen und dann übers Wochenende nach Virginia Beach fahren?
    An der Kreuzung stießen wir auf die erste Leiche. Man konnte unmöglich sagen, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war, denn der Leichnam war bis zur Unkenntlichkeit zerfleischt worden. Er sah nicht einmal mehr aus wie ein Mensch, sondern wie ein Haufen ranziges Fleisch, klebrig, verwest und völlig von Ameisen und Fliegen bedeckt. Es gab kein Gesicht, keinen Schädel, keine Ohren. Der Körper war zerstückelt

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