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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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und ausgeweidet
worden. Die Gedärme waren überall verstreut. Im Licht unserer Taschenlampen glänzten sie feucht. Der Großteil des ausgetretenen Blutes war inzwischen rostbraun. Cranston wandte sich ab und würgte, doch er übergab sich nicht. Russ reagierte gar nicht, hielt den Blick aber abgewandt. Ich starrte wie hypnotisiert darauf und beobachtete, wie die Ameisen über die Leiche liefen. Dabei fragte ich mich, was die Ameisen wohl von der Dunkelheit hielten. War sie ihnen überhaupt bewusst? Wussten sie, dass sich alles verändert hatte? Gaukelte die Dunkelheit ihnen ebenfalls Trugbilder vor?
    Je weiter wir kamen, umso mehr Leichen entdeckten wir. Einige waren ganz frisch. Andere sahen aus, als würden sie schon seit ein paar Tagen herumliegen. Die Straßen waren nicht vollgestopft mit toten Körpern, aber sie waren definitiv überall präsent. Sie lagen auf den Bürgersteigen, auf der Straße oder in offenen Türen. Ein paar hockten in Autos, zusammengesunken über dem Lenkrad. Einige hatten Selbstmord begangen. Andere waren offensichtlich umgebracht worden. Der Unterschied war leicht zu erkennen. Selbstmörder hatten normalerweise nicht die Angewohnheit, sich zu zerstückeln, auszuweiden oder zu enthaupten. Sie zerfleischten und zerfetzten nicht ihre Geschlechtsorgane, bevor sie starben. Und sie steckten sich nicht in Brand. Ja, okay, ich weiß, da gab es diesen Mönch im Vietnamkrieg, der sich aus Protest anzündete. Ich kann mich noch erinnern, wie mein Großvater mir davon erzählte. Dabei zeigte er mir ein Bild aus dem Life -Magazin. Aber die verkohlten Leichen, die wir auf der Suche nach Christy gesehen haben – die sahen
nicht danach aus, als hätten sie gegen irgendetwas protestiert.
    Neben den Insekten gab es jede Menge Vögel – Krähen, Tauben, Rotkehlchen, Spechte und alle möglichen Singvögel. Sie hockten auf den Leichen und zankten sich um die weichen, saftigen Teile der Toten und um die Käfer, die sich durch das tote Fleisch fraßen. Wenn wir ihnen zu nahe kamen, hoben sie ab und zogen sich kreischend und krähend auf Hausdächer, Straßenlaternen und Bäume zurück. Und wieder grübelte ich darüber nach, welchen Einfluss die Dunkelheit auf die nichtmenschlichen Lebewesen in Walden hatte. Wurden die Vögel, wenn sie zu hoch flogen, von der Dunkelheit gefressen, so wie wir? Versuchte die Dunkelheit, sie dazu zu verleiten, höher zu fliegen? Zeigte sie ihnen Visionen von fetten, saftigen Würmern oder ihrer Vogelmama, die vor drei Jahren von einer Katze gefressen worden war?
    Eine der Leichen, deren Bauch von Gasen gebläht war, platzte mit einem feuchten, furzenden Geräusch auf, als wir vorbeigingen. In diesem Moment wären wir beinahe schreiend weggerannt, aber wir rissen uns zusammen und konzentrierten uns darauf, Christy zu finden.
    Wir entdeckten auch einige niedergebrannte Gebäude. Ich fragte mich, wer wohl die Brände gelöscht hatte. Die Überreste von Peters’ Feuerwehr oder einfach Nachbarn und besorgte Bürger? Was würde passieren, wenn wir nicht mehr genug Wasser hatten, um Feuer zu löschen? Dann würden die Flammen wohl einfach von einem Gebäude aufs nächste übergreifen und alles in ihrem Umfeld in Schutt und Asche legen. Es war vorstellbar, dass Walden
völlig niederbrannte und wir dann zwischen Feuer und Dunkelheit gefangen wären. Falls es so weit kommen sollte, würde ich wahrscheinlich den Tod in den Flammen vorziehen. Irgendetwas sagte mir, dass das immer noch besser wäre, als sich diesen schwarzen Tentakeln zu ergeben.
    Doch in den Straßen gab es noch mehr als Müll und Tote. Es gab auch lebende Menschen. Einige wirkten wie wir, als hätten sie ein bestimmtes Ziel. Das erkannte man an der Art, wie sie sich bewegten, und an den vorsichtigen, verstohlenen Blicken. Sie waren aus einem bestimmten Grund hier draußen. Andere schlenderten oder hingen einfach rum und erweckten den Eindruck, als wüssten sie nicht wohin mit sich – oder als wären sie auf Ärger aus. Aber alle Menschen, die wir sahen, hatten eins gemeinsam: Sie waren bewaffnet. Sie trugen Gewehre, Pistolen und Schlachtermesser bei sich, auch Äxte und Schaufeln oder Baseball – und Golfschläger. Ein alter Mann umklammerte mit seiner knorrigen, von Altersflecken übersäten Hand eine braune Bullenpeitsche aus Leder. Er wirkte wie ein altersschwacher Indiana Jones. Seine Kleidung war schlammverschmiert und zerrissen, und in seinem Mundwinkel hing eine Zigarette.
    »Habt ihr Jungs vielleicht

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